Tödlicher Schnappschuss
aus Hildesheim angefordert. Er macht
vom Tatort auf Burg Polle 360°-Aufnahmen mit einer Sphäron-Kamera.
Mit den Bildern können wir den Tatort später am Rechner virtuell
begehen und auswerten.«
»Respekt«,
murmelte Ulbricht. »Ich hatte noch nie so ein Ding im Einsatz. Und
die Leiche?«
»Schon auf dem Weg in
die Rechtsmedizin nach Hannover.«
»Ihre Truppe ist
wirklich nicht die langsamste«, stellte Ulbricht fest, doch Maja
konnte sich nicht recht am Lob des Ersten Kriminalhauptkommissars
erfreuen.
»Da haben Sie sich ganz
schön was geleistet, mit der Wohnungsdurchsuchung«, stellte sie
fest, nachdem sie sich ein wenig beruhigt hatte. Maja deutete auf ihr
Notebook. »Und warum sollte ich das Ding mitbringen?«
»Eins nach dem anderen«,
murmelte Ulbricht. »Ich bin zur Kur hier, da ist Hektik das Letzte,
was ich gebrauchen kann.«
»Sie haben Nerven.«
»Wovon reden Sie?«
Ulbricht zuckte die Schultern.
»Das wissen Sie ganz
genau, verdammt«, zischte Maja. »Mein Vorgesetzter wird mich
zur Verantwortung ziehen, wenn ich heute Abend mit leeren Händen ins
Meeting gehe.«
»Halt, jetzt gebrauchen
Sie mein Wort!« Ulbricht hob beide Hände. Als er sah, wie sie
ihn völlig verständnislos anblickte, lächelte er, um die
Situation zu entschärfen. »Ich fluche zugegebenermaßen
gern«, gestand er ihr. »Und dazu gehört auch das Wort
verdammt. In meiner Heimat habe ich deshalb schon seit geraumer Zeit den
Spitznamen Kommissar Verdammt.«
»Ein ziemlich blöder
Name, finden Sie nicht?« Maja spürte so etwas wie Mitleid.
Dieser große Mann der Kriminalpolizei, ehrfurcht- und respekteinflößend,
litt unter einem derart albernen Spitznamen?
»Allerdings«,
murmelte er und drehte das halbleere Bierglas zwischen beiden Daumen. Dann
knibbelte er den aufgeweichten Untersetzer ab und formte kleine
Papierkugeln daraus. »Aber was soll ich tun? Bis zu meiner
Pensionierung ist es nicht mehr lange, und ich habe den Namen durch zwei
Radioreporter bekommen, Stefan Seiler und Heike Göbel. Sie sind auf
Zack, gar keine Frage, aber sie nerven.«
»Das kenne ich.«
Der Rotwein kam, sie prosteten sich zu, und Maja leckte sich genießerisch
über die Lippen. »Wir haben auch so einen Heini hier in unserer
Gegend. Hubert Wesemann, freier Journalist bei radio TOTAL.«
»Sind die nicht alle
furchtbar?«
»Allerdings. Aber sie
haben einen gemeinsamen Vorteil: Für sie gelten keine
Dienstvorschriften, und sie ermitteln überall dort, wo wir nicht schnüffeln
dürfen.« Maja nickte. Zum ersten Mal empfand sie so etwas wie
eine gewisse Sympathie für Norbert Ulbricht, oder Kommissar Verdammt,
wie er zu Hause genannt wurde. Am liebsten hätte sie sich eine
Zigarette angezündet, aber das Rauchverbot im Restaurant hinderte sie
daran. Sie beschloss, Norbert Ulbricht in einer ruhigen Minute zu googlen.
»Ja«, murmelte
Ulbricht. »Eine Zigarette - das wär's jetzt, hm?« Er
hatte mit einem süffisanten Grinsen beobachtet, wie sie die
Zigarettenschachtel aus der Tasche gezogen und auf den Tisch gelegt hatte.
Nachdem sie mit der Schachtel zwischen Daumen und Zeigefinger
herumgespielt hatte, ließ sie die Packung wieder verschwinden.
»Allerdings. Ich rauche
eh zu viel.«
Wieder ein Schluck Wein.
»Genuss oder Sucht?«
Sie spürte, dass sie ihm
nichts vormachen konnte. »Beides«, murmelte Maja kleinlaut.
»Zu Hause vor dem Computer genauso wie nach einem guten Essen.«
»Bei den
Gemeinsamkeiten, die uns verbinden, bleiben Sie also zum Essen«,
grinste Ulbricht und wirkte plötzlich ein Jahrzehnt jünger.
»Habe ich eine Wahl?«
»Nein.« Er
antwortete schnell, fast zu schnell, und als Salvatore an den Tisch trat,
um sie nach ihren Wünschen zu fragen, orderte sie wie selbstverständlich
eine Portion Tagliatelle mit Steinpilzen. Irgendwie fühlte sie sich
trotzdem ausgeliefert. War sie plötzlich nicht mehr in der Lage, den
Fall allein zu lösen? Wozu hatte sie Roland Alders, den Jungsporn und
Jürgen Grundmann, das alte Ekel im Team? Musste sie sich jetzt auch
noch um einen schrulligen Hauptkommissar aus Wuppertal kümmern?
FÜNF
»Sie sitzen zusammen im
Restaurant.« Mit wenigen Sätzen beschrieb er die Lage von La
Romantica in Holzminden. Zu seiner Verwunderung zeigte sich der Gesprächspartner
am anderen Ende der Leitung in keiner Weise bewegt.
»Ist doch schön.
Lass
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