Tödlicher Schnappschuss
die
Zeit nehmen«, erwiderte Ulbricht und streckte wieder die Beine aus.
Er blinzelte in die Mittagssonne und atmete tief durch. Nie zuvor hatte er
gedacht, dass er einen Mordfall so entspannt angehen würde. »Übrigens«,
sagte er dann gedehnt. »Ich heiße Norbert. Wir sollten ruhig
Du zueinander sagen, jetzt, wo wir doch gemeinsam an einem Fall arbeiten.«
Polizeiinspektion Hameln,
15.05 Uhr
Ihnen rauchten die Köpfe.
Sie hatten sich die Fotos der Speicher karte auf einem großen
Monitor in Maja Klausens Büro angesehen, ohne einen entsprechenden
Hinweis auf Vorbergs Mörder gefunden zu haben. Ulbricht hatte es sich
in einem der Besucherstühle vor Maja Klausens Schreibtisch bequem
gemacht und musste sich heimlich eingestehen, dass die Hamelner Inspektion
dem altbackenen Wuppertaler Polizeipräsidium doch um einiges überlegen
war. Die Wege innerhalb der Behörde waren kürzer, aber auch das
Gebäude als solches war moderner als seine gute alte Amtsstube in
Wuppertal. Hier ließ es sich bestimmt gut arbeiten, dachte er, während
er sich unauffällig umblickte.
»Vergiss es«,
riss ihn Majas Stimme aus den Gedanken. »Das ist mein Büro.«
Ulbricht, der die Füße
wie selbstverständlich auf ihren Schreibtisch gelegt hatte, zuckte
zusammen und nahm die Füße herunter.
»Keine Angst«,
sagte er eilig. »Ich werde nach Ende der Kur nach Wuppertal in mein
eigenes Büro zurückkehren - deinen Schreibtisch werde ich dir
nicht streitig machen!«
Sie hatten literweise Kaffee
getrunken und sich nach einer Zigarette gesehnt, der Sucht dennoch
widerstanden.
»Davon rede ich nicht.«
Maja winkte ab. »Diese Fotos - sie geben nichts her. Kein
versteckter Hinweis, kein brisantes Material, das auch nur ansatzweise
einen Mord rechtfertigen würde - nichts.« Sie blies sich
entnervt eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn und lehnte
sich in ihrem Sessel zurück.
»Die Menschen auf den
Bildern sehen gut aus«, erwiderte Ulbricht und erntete einen
schiefen Blick von Maja.
»Sie sind gut
angezogen, meine ich«, setzte er nach.
»Vorberg war
Pressefotograf. Es gehörte zu seinem Job, die Reichen und die Schönen
im Weserbergland abzulichten. Wahrscheinlich hat kein Empfang und keine
Party der High Society ohne ihn stattgefunden. Und auf solchen Anlässen
sind die Menschen nun mal angemessen gekleidet.«
»So was ist mir zuwider«,
brummte Ulbricht.
Maja wollte etwas erwidern,
verstummte jedoch, als die Bürotür aufflog und Jürgen
Grundmann ins Büro stürmte.
Als er Ulbricht erblickte,
bildete sich eine Falte zwischen seinen buschigen Augenbrauen. Grundmann
machte keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen den Kommissar aus Wuppertal.
Grundmann wirkte müde
und schlecht gelaunt. Die weinrote Krawatte hing schief; er hatte den
oberen Hemdsknopf geöffnet. Kaffeeflecken zierten den Kragen seines
Hemdes.
Er wedelte mit einer Mappe
vor ihrem Gesicht herum und wirkte aufgebracht.
»Hier«, rief er
und warf ihr die Mappe auf den Schreibtisch. »Der vorläufige
Bericht der Kollegen von der Spurensicherung.«
»Was - so schnell?«
Ulbricht zog anerkennend die
Mundwinkel nach unten und beschloss, seinen Leuten künftig mehr Dampf
zu machen. In Wuppertal mahlten die Mühlen mitunter langsamer.
»Wenn hier ein Mord
geschieht, setze ich alle Hebel in Bewegung«, erwiderte Maja.
»Du bist wohl nicht in
der Gewerkschaft«, brummte Ulbricht. »Ich gehe pünktlich
nach Hause, nachdem ich die Arbeit an meine Leute delegiert habe.«
Er erhob sich schwerfällig und griff nach seinem Mantel, den er
über die Lehne eines Besucherstuhls geworfen hatte.
Weder Grundmann, noch Maja
schienen etwas mit seinem Humor anfangen zu können. Sie blickten ihn
mit regungslosen Mienen an.
»Wir telefonieren«,
versprach Ulbricht und trat hinter Majas Schreibtisch.
»Das ist doch der
Sticher«, bemerkte Grundmann, als sein Blick auf Majas Bildschirm
haften blieb. Sie hatte eines der Fotos bildschirmfüllend auf den
Monitor geladen. Es zeigte Sticher mit einer ausnehmend hübschen
Frau, die Ulbricht auf Anfang, vielleicht Mitte dreißig schätzte.
Neben ihr stand ein Mann in einem schwarzen Maßanzug, um die
vierzig. Der typische Geschäftsmann, immer auf korrekte Kleidung und
auf einen betont teilnahmslosen Gesichtsausdruck bedacht.
»Sticher?« Maja
verstand nicht, worauf der Kollege
Weitere Kostenlose Bücher