Tödlicher Schnappschuss
sie flirten, wir kümmern uns zwischenzeitlich um das
Wesentliche.«
»Du bist wahnsinnig.«
»Nein, nur überzeugt
von dem, was wir tun.« Ein selbstsicheres Lachen. »Und wenn
die Beamten mit sich selbst beschäftigt sind, ist das umso besser für
uns. Wir haben freie Bahn und können die blutigen Spuren verwischen.«
»Sie werden uns auf die
Spur kommen.«
»Das wage ich zu
bezweifeln - ich hätte kein Motiv für eine derartige Tat.«
»Das Motiv werden sie
dir schon auf dem Silbertablett präsentieren.«
»Und du tust es wegen
der Kohle.«
Humorloses Lachen am anderen
Ende der Leitung. »Spar dir deinen Sarkasmus.«
»Es ist die Wahrheit.
Und jetzt sieh zu, dass die Computer verschwinden.«
»Das ist schon so gut
wie erledigt.« Ohne die Antwort seines Gesprächspartners
abzuwarten, wurde die Verbindung unterbrochen. Dumme Sprüche waren
das, was er jetzt am wenigsten gebrauchen konnte.
Weserkai Holzminden, 13.20
Uhr
»Schön haben Sie
es hier.« Ulbricht hatte die Hände in den Taschen seines
leichten Sommermantels versenkt und ließ den Blick über den
Fluss gleiten. Am Ufer führte eine alte Dame ihren Pudel Gassi. Der
kleine Hund pinkelte an jeden Busch, den er passierte und strapazierte die
Geduld seiner Herrin. Sie zerrte immer wieder an der Leine und redete auf
ihren Hund ein. Ein verliebtes Teenagerpaar hockte eng
aneinandergeschmiegt auf der Lehne einer Bank und knutschte. Radfahrer
zogen ihre Bahn und klingelten, wenn Ulbricht und Maja Klausen ihnen zu
nah kamen. Ulbricht blickte sich um. Eine gut zwei Meter hohe Mauer sollte
die Stadt wahrscheinlich vor Hochwasser schützen; sie flankierte den
Weserkai. Nach dem Essen hatte er sie endlich aus der Reserve gelockt:
Maja Klausen war ungeduldig, aber er spürte, dass er ihr ansatzweise
sympathisch war. Nun erhoffte er sich von ihr, im Fall Christian Vorberg
mit ihr zusammenarbeiten zu können. Das Kurleben hatte ihn in den
letzten Tagen gelangweilt, und nun war Norbert Ulbricht froh, eine Aufgabe
zu haben, von der er etwas verstand. Bewusst hatte er das Thema beim Essen
in der Pizzeria gemieden. Es hatte ihn nicht viel Mühe gekostet, sie
noch zu einem kleinen Spaziergang zu überreden, zumal er noch seinen
Joker ausspielen wollte.
»Was ist das da für
ein Turm?« Er deutete auf die Kirche im Hintergrund. Der spitze Turm
ragte in einen nahezu wolkenlosen Himmel über Holzminden.
»Das ist die
Lutherkirche.« Maja Klausen hatte sich während des Mittagessens
ein wenig beruhigt. Nun deutete sie mit dem Daumen nach links. »Und
das da ist der alte Getreidespeicher.«
Ulbricht erinnerte sich
daran, das klobige Gebäude bei seiner Anfahrt bereits gesehen zu
haben.
»Der Weserkai diente früher
als Verladeort für die Schiffe auf der Weser«, erklärte
die Kommissarin, und Ulbricht betrachtete sie unauffällig und mit
einem feinen Lächeln auf den Lippen.
»Den Getreidespeicher
hat man in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts errichtet. Nun wird er
nicht mehr als Lager verwendet. Und die Gleise der alten Industriebahn
sollen auch bald verschwinden.«
»Sie sind eine
ausgezeichnete Fremdenführerin.«
Seite an Seite waren sie ein
paar Schritte am Weserufer entlanggelaufen. Nun blieb Maja Klausen stehen
und betrachtete ihn mit zu Schlitzen verengten Augen. Da war wieder diese
gefährliche Härte in ihrem Blick, und Ulbricht wusste, dass sie
an den Mordfall dachte. Jetzt ging es um alles. Um alles oder nichts.
»Warum sollte ich den
Laptop mitbringen?«, fragte sie unvermittelt und hielt das kleine
Gerät in die Höhe.
»Können Sie damit
Speicherkarten lesen?«
»Natürlich.«
»Dann kommen Sie.«
Ulbricht wandte sich zur Seite und ließ sich auf eine der Bänke
sinken. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und streckte die
Beine aus. Wer nicht wusste, dass er ein Kriminalhauptkommissar war, könnte
denken, Ulbricht war ein harmloser Tourist. Und er wusste, dass er das in
den Augen seiner niedersächsischen Kollegin auch war. Doch er hatte
einen Joker in der Tasche.
»Was soll das jetzt?«
Sie war ihm zur Bank gefolgt und stand mit verschränkten Armen vor
ihm. Ihre grünen Augen blitzten wütend. »Also gut, passen
Sie auf: Ich arbeite an einem Tötungsdelikt, die Ermittlungen laufen
auf Hochtouren, und ich habe keine Lust, mir den Fall vom LKA abnehmen zu
lassen, weil ich ihn nicht lösen kann.
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