Tödlicher Schnappschuss
auch Ulbricht laut geworden. Eine
ältere Dame am Nebentisch blickte ihn vorwurfsvoll an und schüttelte
das ergraute Haupt.
»Er gönnt sich
keine Prostituierte, Norbert. Sie ist seine Mandantin.«
»Na, das hat er mir
auch erzählt.«
»Alexandra Voosen
eskortiert reiche Geschäftsleute. Sie begleitet die Herren zu Empfängen,
verreist mit ihnen und nimmt an gesellschaftlichen Ereignissen teil. Und
sie hat eine reine Weste, was unsere Arbeit betrifft.«
»Aber sie geht mit
ihren Kunden ins Bett.«
»Das ist nicht verboten
und wird meistens auch gar nicht verlangt. Sie begleitet Geschäftsleute
zu Terminen und versüßt ihnen den Feierabend nach einem langen
Arbeitstag - mehr nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Mensch
Norbert, kannst du dir vorstellen, in was für ein Wespennest du da
gestochen hast?«
»Offen gestanden -
nein.«
»Sticher ist außer
sich und hat Dauber Konsequenzen angedroht, sollte sein Name mit
irgendwelchen Machenschaften in Verbindung gebracht werden.«
»Das wird nicht der
Fall sein - wenn er tatsächlich eine saubere Weste hat.«
»Hat er.«
»Das willst du also
wissen?« Ulbricht schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Das
Geschirr vollführte einen Hüpfer, und einmal mehr waren ihnen
die neugierigen Blicke der anderen Restaurantbesucher sicher.
»Ja«, nickte
Maja. »Das weiß ich. Wenn jemand korrekt arbeitet und absolut
diskret ist, dann ist er das. Und nun sieh zu, dass du die Wogen, die du
gemacht hast, wieder glättest.«
Sie erhob sich. »Ich muss wieder ins Büro.« Ohne ein
weiteres Wort verließ sie den Grünen Reiter. Maja war
stinksauer, dass sie ihre Zeit mit Recherchen im Büro vergeudet
hatte, anstatt Klinken zu putzen. Sicherlich hätte sie Schlimmeres
verhindern können, wenn sie Sticher selbst einen Besuch abgestattet
hatte. Auf der Hauptstraße angekommen, versuchte sie ihre Gedanken
zu ordnen. Wahrscheinlich hatte Norbert sich mit seinem nordrhein-westfälischen
Dienstausweis legitimiert, denn sonst hätte er niemals von einem Mann
wie Sticher die Adresse von Alexandra Voosen erfahren.
ZEHN
Hehlen-Hohe, 13.35 Uhr
Das auffällige
BMW-Cabrio vor dem kleinen Fachwerkhaus wirkte in dem verschlafenen
Zweitausend-Seelen-Ort wie ein Ufo auf dem Barmer Rathausvorplatz in
Wuppertal. So kam es Ulbricht vor, als er den alten Vectra an den Straßenrand
lenkte und den klappernden Motor abschaltete. Er hoffte, dass es die alte
Kiste am Ende seiner Kur noch bis nach Hause schaffte. Das schwarze Cabrio
vor dem Haus hatte ein Münchner Kennzeichen - wahrscheinlich handelte
es sich um einen Mietwagen. Unterwegs hatte er sich Gedanken über das
unerfreuliche Gespräch mit Maja gemacht. Auf keinen Fall wollte er,
dass sie seinetwegen Ärger bekam, und nun fühlte er sich in der
Pflicht, ihr brauchbare Ergebnisse zu bringen. Erst bei Bodenwerder hatte
sich sein Puls einigermaßen beruhigt. Und das, obwohl ihm der Arzt
Aufregung verboten hatte. Doch jetzt einfach zum Kur-Alltag zurückzukehren,
das kam für ihn nicht in Frage. Die Weißkittel würden noch
eine Weile lang ohne ihn auskommen müssen.
Er überlegte, woher er
den Namen Dauber kannte. Dauber war Oberkriminalrat und Majas
Vorgesetzter. Sie fürchtete ihn offenbar. Ulbricht hatte jetzt keine
Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Über die B 83 war er in
die kleine Ortschaft Hehlen gelangt, hatte sich an der Esso-Tankstelle
unweit des Ortseingangs noch einmal nach dem Weg erkundigt und stand nun
vor einem windschiefen Fachwerkhaus.
Als er ausstieg, umfing ihn
die friedliche Stille, wie es sie nur in Dörfern gab, die in der
Mittagssonne Siesta zu halten schienen. Er atmete tief durch und genoss
den Blütenduft des kleinen Vorgartens. Ein königsblauer
Rittersporn reckte sich an einem hölzernen Rankgitter der Sonne
entgegen. Bienen summten geschäftig von Blüte zu Blüte.
Das Haus einer Escort-Lady
hatte er sich allerdings anders vorgestellt. Mondäner, luxuriöser,
gediegener, aber auch kühler. Stylish, so nannte man das wohl.
Ulbricht öffnete das
kleine hölzerne Tor und betrat den Plattenweg, der zum Hauseingang führte.
Im Beet neben ihm taumelte eine Hummel zwischen den Bartnelken umher.
Weiter hinten strich eine Katze durch einen Busch und maunzte ihn
beleidigt an, weil er wahrscheinlich die Maus, auf die sie gelauert hatte,
vertrieben hatte. Das hier war Idylle pur.
Die
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