Tödlicher Schnappschuss
den Ausweis wieder aus und
lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück, ohne seinen Gast aus den
Augen zu lassen. Ulbricht hatte genügend Menschenkenntnis, um zu
wissen, dass es sich bei Sticher um einen hochintelligenten Mann handelte.
Ihm konnte er nichts vormachen.
»Sicherlich haben Sie
bereits davon gehört, dass es einen Mord auf Burg Polle gegeben hat.«
»Der tote Fotograf?
Christian Vorberg, nicht wahr?« Er nickte. »Ja, ich habe davon
in der Dewezet gelesen. Aber wie kann ich Ihnen in dieser Angelegenheit
helfen?«
Ulbricht fummelte in der
Tasche seines Mantels herum und zog ein wenig umständlich das
zerknitterte Foto heraus, das er an Vorbergs Pinnwand gefunden hatte. Er
strich die Ecken glatt und legte es vor Sticher auf die Tischplatte.
»Wir haben Dateien von
Vorbergs Rechner gesichtet. Aufgrund seiner Tätigkeit hatte Vorberg
unzählige Bilder auf seinem Rechner, wie Sie sich denken können.
Auf einem Foto sind Sie zu sehen. Mit dieser Dame hier.« Ulbricht
tippte auf die unbekannte Schönheit. »Kennen Sie diese Dame?«
»Ich … ich habe
sie ein paar Mal getroffen, ja, das ist richtig.« Sticher nickte und
wirkte plötzlich ein wenig irritiert. Er zupfte an seiner Krawatte
herum. »Warum müssen Sie das wissen?«
»Die Dame taucht auf
vielen von Vorbergs Bildern auf. Eventuell kann sie uns weiterhelfen.
Leider wissen wir nicht, um wen es sich bei ihr handelt. Vielleicht können
Sie uns helfen?«
»Das ist Alexandra
Voosen«, verkündete Sticher. Er legte die Hände auf den
Schreibtisch und faltete sie wie zum stummen Gebet.
Ulbricht deutete Stichers Zurückhaltung
als schlechtes Gewissen. Vermutlich hatte er ein Verhältnis zu der
Dame. Er schielte auf Stichers Hand und sah den Ehering. Wenn der
Steuerberater verheiratet war, lag es auf der Hand, dass Ulbricht nicht
viel Staub aufwirbeln sollte.
Ulbricht zückte einen
kleinen Spiralblock und notierte Alexandra Voosens Namen.
»Haben Sie die
Kontaktdaten von Frau Voosen für mich?«
»Ich weiß, wo sie
wohnt.« Sticher nickte. »Aber es unterliegt meiner Diskretion…«
»Herr Sticher, ich
ermittele in einem Mordfall, da muss die Diskretion manchmal…«
»Hören Sie, ich
habe einen Ruf zu verlieren.« Sticher beugte sich weit über den
Schreibtisch und fixierte Ulbricht mit seinen Blicken. »Und allein
deshalb ist mir sehr daran gelegen, dass mein Name nicht in Verbindung mit
einem Mordfall gebracht wird. Sobald die Medien davon Wind bekommen, geht
das in unserer Region herum wie ein Lauffeuer.«
»Sie können sich
auf meine Verschwiegenheit verlassen.«
»Dann werde ich mich
bei Oberkriminalrat Dauber rückversichern«, erwiderte Sticher
und griff zum Hörer. »Ich kenne Sie nicht und weiß nicht,
ob Sie überhaupt befugt sind, mich zu befragen.«
Ulbricht wurde es siedend heiß.
Den Namen Dauber hatte er gestern schon einmal aus Majas Mund gehört.
Wahrscheinlich war er ihr Vorgesetzter. Auf gar keinen Fall wollte er sie
in Schwierigkeiten bringen.
Er hob die Hand, wollte etwas
sagen, doch Sticher brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen. Im gleichen
Augenblick schien sich am anderen Ende der Leitung etwas zu tun. Sticher
stellte sich in geschäftigem Ton vor und verlangte nach dem
Oberkriminalrat.
Er lauschte sekundenlang in
den Hörer, dann bildete sich eine steile Falte auf seiner Stirn.
»In Ordnung, dann
versuche ich es über Handy.« Er legte auf und seufzte.
Dann warf er einen Blick auf
seine Armbanduhr. »Okay«, sagte er, an Ulbricht gewandt.
»Ich bin ein wenig in Eile und muss mich noch
auf einen Termin vorbereiten.«
Ulbricht lächelte
dankbar und hoffte im gleichen Moment, dass Sticher ihm die Erleichterung
nicht ansah. »Vielen Dank, ich mache es kurz«, sagte er
schnell und legte die Hände auf die Lehnen des Besucherstuhls.
»Also«, nahm er den Faden wieder auf. »Ich benötige
die Anschrift, wenn möglich die Telefonnummer von Alexandra Voosen.
Und ich würde gern wissen, in welchem Verhältnis Sie zu ihr
stehen.« Er tippte mit dem Zeigefinger auf das Foto. »Hier
machen Sie einen recht unbeschwerten Eindruck, wenn ich das mal so sagen
darf.«
Sticher ging nicht auf
Ulbrichts Bemerkung ein. Er machte sich an seinem Laptop zu schaffen und
rief die Daten von Alexandra Voosen im System auf.
»Ich drucke es Ihnen
aus«, sagte er, als er sah, wie Ulbricht den Stift
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