Tödlicher Schnappschuss
zückte.
»Danke.«
Ein Drucker lief an und
spuckte ein DIN-A4-Blatt aus. Sticher erhob sich und ging zum Drucker, der
auf einem der weißen Schränke hinter ihm stand. Sticher reichte
das Blatt an Ulbricht weiter, der einen flüchtigen Blick darauf warf,
es dann zusammenfaltete und in die Innentasche seines Trenchcoats steckte.
»Und nun zu meiner letzten Frage«, erinnerte er den
Steuerberater. »Hatten Sie ein Verhältnis mit Frau Voosen?«
»Frau Voosen ist eine
Geschäftsfrau.«
»In welcher Branche?«
»Sie betreibt einen
Escortservice.« Sticher setzte sich wieder.
Das hatte Ulbricht nun nicht
erwartet. Aber offenbar gehörte es in einigen Kreisen zum guten Ton,
sich die knappe Freizeit mit käuflicher Liebe zu versüßen, anstatt daheim mit der Familie
zusammen zu sein. So etwas wäre ihm nie in den Sinn gekommen.
Vorausgesetzt, Ulbricht hätte eine Familie, fügte er in Gedanken
hinzu.
»Frau Voosen verfügt
über einen umfangreichen Kundenstamm. Wohlhabende Zeitgenossen
unserer Region treffen sich regelmäßig mit ihr.«
Ulbricht wusste nicht, ob er
Spaß daran haben könnte, sich mit einer Frau zu vergnügen,
die sich jeden Abend mit einem anderen reichen Mann der Stadt traf.
»Allein aus diesem
Grunde bitte ich Sie um größtmögliche Diskretion, Herr
Ulbricht.«
»Geschenkt.«
Ulbricht winkte ab.
»Sind Sie verheiratet?«
Sticher antwortete: »Tut das zur Sache?«
»Dann werde ich dafür
sorgen, dass Ihre Frau oder Freundin nichts davon erfährt«,
versprach Ulbricht mit einem jovialen Schmunzeln.
»Nein, nein.«
Fritz-Eckhard Sticher schüttelte den Kopf und hob abwehrend beide Hände.
»Es ist nicht so, wie Sie jetzt vielleicht vermuten: Frau Voosen ist
meine Mandantin. Wir betreuen und beraten sie in allen Fragen des
Steuerrechts. So wie wir es mit allen unseren Mandanten tun. Kompetent,
individuell und natürlich immer diskret.«
»Das klingt wie ein
Werbeprospekt«, murmelte Ulbricht.
»Schenken Sie sich die
Ironie - ich verlasse mich auf Sie.« Sticher hatte seine Souveränität
zurückgewonnen. Er erhob sich und begleitete seinen Gast zur gläsernen
Tür.
»Vielen Dank, dass Sie
sich Zeit für mich genommen haben, auch ohne Termin«, sagte
Ulbricht. Wieder der feste Händedruck; Sticher
blickte ihm tief in die Augen.
»Ich verlasse mich auf
Sie.«
»Das können Sie«,
versprach Ulbricht.
»Und wenn Sie mal einen
steuerlichen Rat benötigen - verabreden Sie mit einem meiner
Mitarbeiter einen Termin, und wir stehen Ihnen zur Verfügung.«
»Danke, das wird nicht
nötig sein«, entgegnete Ulbricht, dann war er allein im Großraumbüro
des Steuerberaters. Er musste Sticher ja nicht auf die Nase binden, dass
er aus Wuppertal kam und ein Steuerberater in Hameln, Hannover, Münster
oder Bielefeld ein wenig weit weg für seine Belange war.
Als er die Halle durchquerte,
überlegte er, ob es vielleicht steuerliche Vorteile haben würde,
wenn er Maja Klausen heiraten würde. Zumindest könnten sie dann
ihre Steuern gemeinsam veranlagen.
Restaurant Grüner Reiter
Hameln, 12.45 Uhr
Sie hatten sich im Grünen
Reiter am Kastanienwall verabredet, das auch »Gino« genannt
wurde. Von einem großen Wintergarten mit mediterraner Einrichtung
hatte man einen herrlichen Ausblick auf die Hauptstraße. Im Außenbereich
plätscherte munter ein Brunnen; doch weil dort alle Tische belegt
waren, hatten sie sich in das gläserne Restaurant zurückgezogen
und saßen sich nun in den bequemen Rattan-Sesseln gegenüber.
Einmal mehr fühlte sich Ulbricht wie im Urlaub, was sicherlich auch
am Ambiente des Grünen Reiters lag. Allerdings hatte er sich ein
wenig über die überschwänglich freundliche Begrüßung
des Inhabers gewundert, den Maja mit seinem Namen angesprochen hatte.
Luigi - typischer ging es wohl kaum für ein italienisches Ristorante.
Zunächst hatten sie sich
über Belanglosigkeiten ausgetauscht, dann hatte Maja ihm den Fisch
auf der Karte wärmstens empfohlen; er hatte sich für ein
Fleischgericht entschieden, während sie ein Gericht aus der
Pasta-Karte gewählt hatte. Als sie wenig später aßen,
erkundigte sich Ulbricht nach dem Stand der Ermittlungen.
Diese Frage hatte Maja befürchtet.
»Wir müssen alles auswerten, und das dauert. Ich bin in solchen
Dingen furchtbar ungeduldig, aber da muss ich durch. Ein paar Kollegen
sind schon unterwegs und
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