Tödlicher Schnappschuss
Auffälliges,
grauer Putz, beigefarbene Balkonverkleidungen aus Kunststoff und eine
Garage mit steiler Rampe, die unter das Haus führte. Ein Fiesta stand
vor einem braunen Garagentor. Maja parkte den Dienstwagen am Straßenrand
und betrachtete das Haus, das zur Straßenseite von einem Jägerzaun
umgeben war. Im ersten Stockwerk lehnte ein rundlicher, grauhaariger Mann
über der Balkonbrüstung zur Straße. Er rauchte, trug ein
Feinripp-Unterhemd und schien eben erst aus dem Bett gekommen zu sein, denn die
Haare standen ihm zu Berge. Als er bemerkte, dass Maja zu ihm aufblickte,
schnippte er die Zigarette auf den Bürgersteig und machte, dass er
zurück ins Haus kam. Hinter ihm schlug die Balkontür laut zu,
und Maja war wieder allein.
Ein Betonplattenweg führte
zum Hauseingang, der seitlich unter einem Vordach lag. Zwischen den Fugen
der Platten wuchs Unkraut. Maja blickte an der nichtssagenden Fassade hoch
und sah, dass das Haus über zwei Stockwerke verfügte.
Glasbausteine sorgten für das nötige Tageslicht im Treppenhaus.
Sechs Mietparteien wohnten hier unter einem Dach. Maja fand Vorbergs Namen
am Klingelschild. Sie drückte den Knopf und wartete einen Augenblick.
Nachdem sich nichts tat, klingelte sie erneut und ließ den Finger
diesmal ein wenig länger auf dem Knopf. Irgendwo im Haus bellte ein
Hund.
Majas Blick fiel auf die
Briefkästen, die neben der Haustür angebracht waren. Die Klappe
von Vorbergs Briefkasten stand auf. Sie griff in den schmalen Schacht und
zog mit Daumen und Zeigefinger Prospekte und ein Anzeigenblättchen
heraus, als sie hinter sich Schritte vernahm.
Sie fuhr herum und sah eine
alte Frau, die in gebeugtem Gang einen weinroten Einkaufstrolley hinter
sich herzog. Trotz der frühsommerlichen Temperaturen trug sie einen
grauen Mantel und eine gehäkelte Mütze, die farblich mit dem
Bezug des Einkaufstrolleys korrespondierte. Maja schätzte die Frau
auf Ende siebzig, vielleicht auch auf Anfang achtzig. Als sie sah, dass
Maja sich an Vorbergs Briefkasten zu schaffen gemacht hatte, beäugte
sie die Kommissarin voller Misstrauen.
»Gehören Sie zu
dem?«
»Zu wem bitte?«
Maja lächelte unverbindlich.
»Na - zu Vorberg.«
Die Alte deutete mit dem Kinn auf den Briefkasten.
»Er ist nicht da«,
antwortete Maja ausweichend.
»Vielleicht -
vielleicht auch nicht.« Die alte Frau trat schulterzuckend näher
und setzte den Wagen hinter sich ab.
»Wissen Sie das so
genau?« Umständlich kramte sie einen Schlüssel aus ihrer
Manteltasche. Als Maja schwieg, fuhr sie fort: »Manchmal macht er
einfach nicht auf. Ich erinnere ihn immer, wenn er mit dem Putzen der
Treppe dran ist, aber er macht einfach nicht auf, wenn er nicht will. Da
ist er trotzdem, ich höre immer den Fernseher laufen. Ein komischer
Mensch, sage ich Ihnen.« Sie schüttelte das graue Haupt, dann
blickte sie zu Maja auf.
»Und wer sind Sie? Was
wollen Sie von ihm?«
Maja zeigte der alten Frau
den Dienstausweis. Sie blinzelte und zog die buschigen Augenbrauen hoch.
»Kriminalpolizei?«,
sagte sie dann. »Wusste ich es doch. Bei Vorberg stimmt was nicht.«
»Was meinen Sie?«
»Hat er etwas
verbrochen?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Na hören Sie mal
- er kommt erst mitten in der Nacht nach Hause und schläft bis
mittags. Der kann doch keinem anständigen Beruf nachgehen. Oder
kommen Sie wegen dem Mord an seinem Bruder?«
Maja ging nicht auf die Frage
der geschwätzigen Nachbarin ein. »Der weiße Fiesta vor
der Garage - gehört der ihm?«
»Nein.« Kopfschütteln.
»Das Auto gehört dem Heppner. Seitdem der die Rente durch hat,
spielt er sich als Hausmeister auf.«
Nun kicherte sie. »Aber bei Vorberg hat er auch nur Pech.«
Maja dachte sofort an den
seltsamen Mann auf dem Balkon, der ihre Ankunft bemerkt hatte. Das war
wohl Heppner gewesen.
»Herr Vorberg scheint
nicht sonderlich beliebt bei seinen Nachbarn zu sein?«
Unaufgefordert folgte Maja der alten Frau in das Haus und empfand die hier
herrschende Kühle als angenehm. Vorbergs Post klemmte sie sich unter
den Arm. Die Alte hatte keine Einwände, dass Maja ihr auch ohne
Aufforderung gefolgt war.
Keuchend stellte die Frau den
Trolley ab und öffnete einen Briefkasten mit dem Namensschild E.
Majewski und nahm die Post heraus. Maja erkannte eine Telefonrechnung auf
den Namen Edeltraut Majewski und den
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