Tödlicher Schnappschuss
Bekannter auftaucht, lass ich es dich wissen,
Maja. Vielleicht haben wir ja Glück und können bei der Lösung
des Falles zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.«
»Das wäre zu schön,
um wahr zu sein.« Als sie auflegte, fühlte sie sich leer. Ihre
Augen brannten, und sie barg das Gesicht in den Händen. Das Telefon
auf ihrem Schreibtisch klingelte. Am anderen Ende der Leitung war noch
einmal Berthold.
»Ich noch mal«,
sagte er fröhlich. »Also, ich weiß nicht, ob dir das
hilft, aber ein gewisser Markus Vorberg hatte schon mal Probleme wegen
einer Drogengeschichte. Angeblich hat er mit Gras gehandelt; kein großer
Fisch, aber er hat das Zeug aus Holland beschafft und veräußerte
es hier im Umkreis von Hameln. Dafür hat er auch schon gesessen, das
ist etwa fünf Jahre her. Seitdem ist es ruhig um ihn geworden.«
»Das ist … ein
Hinweis«, murmelte Maja. Hatte Grundmann Vorberg nach dem Einbruch
in der Wohnung seines Bruders nicht überprüft? Es hätte ihm
auffallen müssen, dass er vorbestraft war und bereits eine Haftstrafe
hinter sich hatte. Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss.
Ihr wurde heiß, und sie fragte sich, ob das an der Aufregung oder an
den Wechseljahren lag. »Dank dir, ich gebe dir das nächste Mal
einen Kaffee aus.«
»Nichts zu danken,
darauf komme ich gern zurück.«
Wie auf ein stilles Kommando
betrat Grundmann das Büro. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und
begann schweigend am Computer zu arbeiten. Dass er gekränkt war und
Maja ignorierte, blieb ihr nicht verborgen. Es passte ihm nicht, dass er
mit Alders ein Team bildete, während sie mit Ulbricht
zusammenarbeiten sollte. So tippte er hektisch auf seiner Tastatur herum,
ohne sie eines Blickes zu würdigen.
»Du hast Vorberg gehen
lassen«, sagte sie mit schneidender Stimme.
Er schielte hinter seinem
Monitor hervor.
»Na und?«
»Du hast einen Mann aus
der U-Haft entlassen, der einen Einbruch begangen hat, der dabei einen
Kollegen verletzt hat und der wegen seiner Drogengeschäfte
polizeibekannt ist.«
»Ach, die
Grasgeschichte.« Grundmann winkte ab. »Das ist ewig her und
hat sicher nichts mit dem Mord an seinem Bruder zu tun.«
»Wer sagt das?«
Maja funkelte ihn böse an. »Christian Vorberg hatte unmittelbar
vor seinem Tod Cannabis geraucht, das steht im Abschlussbericht der
Gerichtsmedizin, den ich eben bekommen habe.« Sie hielt die Mappe
hoch und ließ sie auf den Schreibtisch knallen. »Du hättest
Markus Vorberg nicht gehen lassen dürfen, solange wir nicht wissen,
was er in der Wohnung seines Bruders getan hat. Was sage ich Dauber?«
Schulterzucken. »Dann
lasse ich ihn jetzt herbrin-gen.«
»Du lässt ihn
herbringen?« Maja lachte trocken auf. »Und du glaubst, dass
Markus Vorberg zu Hause sitzt und darauf wartet, dass wir ihm einen
Haftbefehl unter die Nase halten?«
»Wie gesagt, das sind
alte Geschichten.«
»Dann frage ich mich,
warum er in die Wohnung seines Bruders einbricht. Genauso gut hätte
er sich von der Vermieterin den Schlüssel geben lassen können.
Stattdessen hat er das Polizeisiegel zerstört und die Tür
aufgebrochen. Was hat er also in der Wohnung seines ermordeten Bruders
gesucht? Der Mann ist aktenkundig, und du lässt ihn wieder laufen.
Ich fasse es einfach nicht!«
»Ich lasse ihn abholen,
dann kannst du ihn selbst fragen.« Grundmann klang gekränkt. Er
nahm den Hörer seines Telefons ab, doch Maja winkte ab.
»Mach dir keine Mühe«,
zischte sie und sprang auf. »Ich werde das selbst erledigen.«
Sie baute sich wütend vor Grundmanns Schreibtisch auf, der nun nervös
an seiner Krawatte herumnestelte.
»Das mache ich jetzt
zur Chefsache. Her mit den Unterlagen, die du über Markus Vorberg
zusammengefasst hast.« Sie streckte den Arm aus, und er gab ihr
einen dünnen Ordner, der alle nötigen Angaben zu Christian
Vorbergs Bruder enthielt. Danach rauschte sie wütend aus dem Büro.
Unter dem Kiekenstein,
Holzminden, 11.25 Uhr
Sie hatte nicht lange suchen
müssen, um das Haus in der Straße Unter dem Kiekenstein zu
finden, in dem Markus Vorberg eine Einzimmerwohnung bewohnte. Über
die B 64 war sie auf die Nordstraße gekommen, um dann links in die
Straße einzubiegen, in der Vorberg lebte. In dieser Gegend war das
Straßenbild von Mehrfamilienhäusern aus den 50er- und
60er-Jahren des letzten Jahrhunderts geprägt. Nichts
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