Tödlicher Schnappschuss
streng.
»Ich würde gern
Hildegard Vorberg sprechen.« Als Maja den skeptischen Blick der
Schwester sah, zückte sie den Dienstausweis. »Es ist wichtig.«
»Aber nicht lange, Frau
Vorberg benötigt dringend Ruhe. Kommen Sie mit.«
Maja folgte der Schwester bis
zu einer Zimmertür, die nach einem zögerlichen Anklopfen nach
innen aufschwang.
»Und bitte«,
sagte die Schwester, »schonen Sie Frau Vorberg.«
»Versprochen.«
Maja lächelte, dann schob sie sich an der Krankenschwester vorbei in
das Zimmer. Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass sich Hildegard
Vorberg in einem Einzelzimmer befand. Sie war an elektronische Überwachungsgeräte
angeschlossen und döste. Ihre Gesichtszüge wirkten völlig
entspannt, wenn auch aschfahl. Das silberne Haar hing ihr strähnig
ins Gesicht, und sie trug ein geblümtes Baumwollnachthemd.
Als Maja ans Krankenbett
trat, öffnete sie die Augen.
»Erschrecken Sie nicht«,
sagte Maja freundlich. »Mein Name ist Klausen von der
Kriminalpolizei.«
»Sie kommen wegen dem
Mord an Christian?« Ihre Stimme war nur ein Hauch, und sie klang
heiser.
Maja nickte.
»Es tut mir sehr leid.«
Ein stummes Nicken war
Hildegard Vorbergs einzige Antwort, und Maja sah, dass sie mit den Tränen
kämpfte. »Aber ich habe Ihren Kollegen gestern doch schon alles
erzählt«, murmelte sie kraftlos. »Gestern, bevor ich
…« Sie brach ab und legte eine Hand auf die Brust. »Ich
tue alles, damit das Schwein seine gerechte Strafe kriegt. Also stellen
Sie Ihre Fragen.«
Maja wollte die Frau nicht länger
aufregen als nötig und nahm ein Foto von Alexandra Voosen aus der
Tasche. »Mich würde interessieren, ob Sie diese Frau kennen.«
Mit zitternden Händen
nahm Hildegard Vorberg das Foto in die Hand und betrachtete es aus
zusammengekniffenen Augen. Maja vermutete, dass sie sonst eine Brille
trug. »Ist das die Mörderin?«
»Nein, sie ist…«
Im nächsten Augenblick
flog die Tür des Krankenzimmers auf, und ein drahtiger Endvierziger
mit dichtem braunen Haar und braunen Augen trat näher. Es waren nur
seine Lippen, die Maja anlächelten, seine Augen blieben kalt. Er trug
einen langen weißen Kittel, und Maja erkannte mit einem Blick auf
das Namensschild an seiner Kitteltasche, dass es sich bei Dr. Daniel Kunst
um den leitenden Chefarzt handelte. Wahrscheinlich war er von der
unfreundlichen Krankenschwester über das Auftauchen der
Kriminalpolizei informiert worden und sah sich gezwungen, zum Wohl seiner
Patientin einzugreifen.
»Frau Vorberg, Sie benötigen
dringend Ruhe«, sprach er in ruhigem Tonfall an seine Patientin gewandt. Maja bedachte er nur mit
einem knappen Kopfnicken.
»Ach was.«
Hildegard Vorberg winkte ab. »Mir ist langweilig, und wenn mein Sohn
schon tot ist, dann möchte ich der Polizei wenigstens helfen, den Mörder
meines Sohnes zu finden, geht das in Ihren Kopf, Doktor?« Sie klang
plötzlich resolut, und Maja musste sich ein Schmunzeln verkneifen.
»Trotzdem, es ist
wichtig, dass Sie von den Geschehnissen der letzten Tage abschalten«,
mahnte Dr. Kunst. Er wandte sich an Maja.
»Ich muss Sie jetzt
dringend bitten zu gehen.« Plötzlich fiel sein Blick auf das
Foto in der Hand seiner Patientin. Seine Miene erstarrte sekundenlang, und
Maja bemerkte, dass es in seinem Augenwinkel zuckte.
»Wir reden ein anderes
Mal«, versprach Maja, an Hildegard Vorberg gewandt. »Wahrscheinlich
hat Dr. Kunst recht, und Sie sollten sich ein wenig erholen.«
»Ich kenne die Frau auf
dem Bild nicht - aber sie sieht gut aus.« Hildegard Vorberg
zwinkerte Maja verschwörerisch zu. »Kommen Sie einfach wieder,
wenn mein Wachhund seinen wohlverdienten Feierabend am Pool seiner Villa
genießt.«
Maja war die Offenheit der
Frau vor dem Chefarzt ein wenig unangenehm. Sie wollte keinen Ärger
und kam der Bitte des Arztes nach, Frau Vorberg allein zu lassen. Nachdem
sie das Foto von Alexandra Voosen wieder in der Tasche verstaut hatte,
verabschiedete sie sich und verließ das Krankenzimmer, nicht ohne
Hildegard Vorberg gute Besserung zu wünschen.
Hehlen-Hohe, 11.35 Uhr
»Die Bullen waren hier
und haben mein Handy eingezogen.« Ihre Stimme klang verunsichert.
»Dürfen die das
denn einfach so?«
»Sonst hätten sie
es wohl nicht getan. Sie haben mir eine Quittung gegeben und mir
versichert, dass ich das Telefon schnellstmöglich wiederbekomme.
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