Tödlicher Schnappschuss
möchte Ihre Zeit nicht länger als nötig beanspruchen. Frau
Vorberg ist eine sehr bedauernswerte Frau, und ich hoffe, dass sie unser
Haus bald völlig genesen verlassen kann. Wie Sie vielleicht wissen,
hat sie einen Herzinfarkt erlitten, sicherlich ein Tribut an die
schrecklichen Vorkommnisse in ihrer Familie.«
Es begann Maja zu nerven,
dass der Mediziner um den heißen Brei herumredete. »Was kann
ich für Sie tun?«, fragte sie höflich.
»Die Frau auf dem Foto,
das Sie Frau Vorberg gezeigt haben - steht sie in Verbindung mit dem Mord
an Christian Vorberg?«
»Das wissen wir nicht.
Warum fragen Sie nach der Dame?«
»Ich kenne sie.«
Kunst lehnte sich über die Schreibtischplatte, stützte das Kinn
mit den Händen und presste die Lippen zusammen. Maja erkannte so
etwas wie Bedauern und Schuldgefühl in seinen Gesten. »Sie ist
eine Dame, die Geschäftsmänner begleitet.«
»Sie ist ein Callgirl«,
entgegnete Maja, die versuchte, dem Gespräch ein wenig Tempo zu
geben.
»So würde ich das
nicht nennen.« Dr. Kunst schüttelte den Kopf und fuchtelte
energisch mit den Händen in der Luft herum. »Sie begleitet
Herren.«
»Hat sie Sie auch
begleitet?« Maja achtete auf jede Regung im Gesicht des Mediziners.
Kunst zuckte die Schultern.
»Sie erpresst mich.«
»Was muss ich mir
darunter vorstellen?« Majas Neugier war erwacht.
»Details möchte
ich Ihnen ersparen, es handelt sich hierbei um eine sehr pikante
Angelegenheit, und ich möchte Sie um äußerste Diskretion
bitten, Frau Klausen.«
Maja fiel auf, dass er ihren
Namen kannte, sie ging aber nicht darauf ein. Womöglich hatte er von
der Schwester erfahren, wer sie war. Ihr hatte Maja den Dienstausweis
gezeigt, um sich zu legitimieren.
»Ich werde nichts an
die Öffentlichkeit tragen«, versprach sie.
»Sie müssen
wissen, dass ich, ohne arrogant klingen zu wollen, ein angesehener Arzt
bin. Auch in der Gesellschaft kann ich mich über meinen guten Ruf
freuen. Ich bin Mitglied in einem Club, der sich für wohltätige
Zwecke einsetzt, und ich spende viel Geld für kranke Kinder in
Afrika. Übrigens war ich auch schon einmal dort, um zu helfen. Es
herrschen schreckliche Verhältnisse, und den Krankenhäusern
fehlt es an allem, was hier seit Jahrzehnten selbstverständlich ist.«
Bedauerndes Kopfschütteln folgte, und Kunst schien bei seiner wohltätigen
Selbstdarstellung auch sein Selbstbe-wusstsein wiederzufinden.
»Herr Dr. Kunst«,
rief ihn Maja auf den Boden der Tatsachen zurück. »Wie muss ich
mir vorstellen, dass Sie von Alexandra Voosen erpresst werden?«
»Ich will Ihre Zeit
nicht länger als nötig beanspruchen. Es war auf einem Seminar in
Hannover. Neue Arten der Herztransplantation waren das Thema des
Kongresses, zu dem ich als Redner eingeladen war. Als Referent steht man
auch nach dem Seminar, das ich dort gab, im Mittelpunkt. Übrigens
sind die Herzspezialisten aus der ganzen Welt angereist, um…«
»Herr Dr. Kunst, bitte!«
»Entschuldigen Sie«,
nickte er. »Es ist eine sehr brisante Angelegenheit, die mir aus
heutiger Sicht sehr unangenehm ist. Aber leider kann ich die Dinge nicht
ungeschehen machen.« Der Ansatz eines Lächelns huschte um seine
schmalen Lippen. Kunst setzte die Nickelbrille ab und führte einen Bügel
zu den Lippen. »Wir haben in einem Hotel gefeiert, und irgendwie gab
es da diese Frau.«
»Alexandra Voosen.«
»Mag sein. Uns hat sie
sich als Lady Celeste vorgestellt. Was soll ich sagen? Wir waren bis spät
abends in der Bar des Hotels, wo sie dann auftauchte. Mein Gott, ich bin
auch nur ein Mann!« Er legte die Brille auf den Schreibtisch und
wischte sich durch das erhitzte Gesicht. »Sie war wunderschön.
Sie hatte diese langen Beine, war elegant gekleidet und charmant. Es gibt
kaum einen Mann, dem sie nicht gefallen hätte. Ich habe sie zu vorgerückter
Stunde mit auf mein Hotelzimmer genommen.«
»Natürlich gegen
Geld«, warf Maja ein.
Schulterzucken beim
Mediziner. »Natürlich«, stimmte er zu. »Ich habe
rund tausend Euro bezahlt, aber das war sie mir wert: Sie ist eine Schönheit
und hat es verstanden, mich zu verzaubern. Selten zuvor habe ich bei einer
Frau so viel Leidenschaft und Verführung erlebt, wie es bei Celeste
der Fall war.«
»Und am nächsten
Morgen kam das böse Erwachen? Schlechtes Gewissen, meine ich?«
»Was meine Ehe
betrifft, natürlich. Sie müssen
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