Tödlicher Schnappschuss
hauchte den Ort in ein warmes
Licht. Tatsächlich fühlte er sich ein wenig wie im Urlaub.
Bislang hatte er seine Urlaube immer zu Hause verbracht. In seinen eigenen
vier Wänden, allein. Und Norbert Ulbricht wäre von selbst
niemals auf die Idee gekommen, nach Bad Pyrmont zu reisen, um hier eine
Auszeit vom Alltag zu nehmen.
Ohne die richtige Begleitung
hatte er nie den Wunsch verspürt, seine Heimatstadt für einen längeren
Zeitraum zu verlassen. So dankte er der Wuppertaler Polizeipräsidentin
dafür, dass sie selbst es gewesen war, die sich den Leiter des KK 11
zur Brust genommen hatte, um ihn zu einer Kur zu überreden.
Vielleicht war die Idee gar nicht so schlecht gewesen, und der Mordfall
sorgte dafür, dass es ihm auch im Urlaub nicht langweilig wurde.
Gut gelaunt schlenderte
Ulbricht durch die Fußgängerzone und betrachtete die Auslagen
in den Schaufenstern der zahlreichen Geschäfte, die sich an der
Brunnenstraße angesiedelt hatten. Als er den großartig
angelegten Brunnenplatz erreichte, genoss er die wärmenden
Sonnenstrahlen und kaufte sich an einem Eiswagen, der am Straßenrand
parkte, zwei Kugeln Eis. Pfefferminz und Nuss, seine Lieblingssorten. Als
er weiter in Richtung Kurpark marschierte, kreisten seine Gedanken um den
Fall. Er blickte auf die Armbanduhr und stellte fest, dass er von Maja
schon längere Zeit nichts mehr gehört hatte. Wahrscheinlich war
sie in den Recherchearbeiten versunken und hatte die Zeit vergessen. Er
beneidete sie nicht, denn es gab nichts Schlimmeres als einen Mordfall
ohne die geringste Spur. Listen von Kontakten des Toten abzuarbeiten war
eine Strafarbeit, die unnötig viel Zeit in Anspruch nahm und viel
Personal erforderte.
Rechts lag das Steigenberger.
Hinter der Fassade des alten Kurhauses hatte nun ein luxuriöses Hotel
Einzug gehalten. Das große rote Kreuz auf dem Dach des mondänen
Baus, das Wappen von Bad Pyrmont, glänzte in der Sonne.
Ulbricht fragte sich, was er
falsch gemacht hatte in seinem Leben. So ein luxuriöses Hotel würde
er sich wohl niemals leisten können. Aber das war es auch nicht,
worauf es ankam. Er hatte schon in frühen Jahren über einen
ausgeprägten Gerechtigkeitssinn verfügt und sich daraufhin
entschlossen, bei der Polizei zu arbeiten.
Wieder dachte er an den Mord
an Christian Vorberg. Er war sicher, dass Alexandra Voosen ihn angelogen
hatte: Die beiden kannten sich ganz bestimmt -Martha Hutmacher hatte das
bestätigt, als er ihr das Foto des Luxuscallgirls gezeigt hatte. Was
hatte ein Callgirl mit einem Starfotografen zu tun? Sosehr er sich auch
das Gehirn darüber zermarterte, es wollte ihm einfach nicht gelingen,
einen Zusammenhang zwischen den beiden herzustellen.
Er Fotograf, sie Callgirl.
Ulbricht ertappte sich dabei,
dass er das Wort Escort-Lady vermied. Für ihn hatte eine Frau wie
Alexandra Voosen nichts von einer sauberen Begleiterin für einen
Geschäftsmann. Sie schlief für viel Geld mit ihren Kunden und
war somit käuflich. Wer wie sie arbeitete und Kontakt mit reichen Männern
hatte, der musste sehr materialistisch veranlagt sein. Aber sie lebte in
einem kleinen windschiefen Fachwerkhaus auf einem verschlafenen Dorf. Das
passte alles nicht zusammen, wie Ulbricht fand. Das Penthouse in Hannover
würde ihr sicher besser zu Gesicht stehen. Doch da würde er
nicht hineinkommen. Maja würde es zu verhindern wissen. dass er sich
an der Durchsuchung von Alexandra Voosens Stadtwohnung beteiligte.
Alexandra Voosen war eine
Gefahr, denn solche Menschen gingen über Leichen, wenn es darauf
ankam, den eigenen Reichtum zu sichern. So fragte er sich, wie sie mit
Christian Vorberg gemeinsame Sache gemacht haben konnte. Ulbricht hatte
selten Kontakt zu einflussreichen Menschen aus Wirtschaft und Politik, und
er tat sich schwer, sich in diese Menschen hineinzudenken.
Das Klingeln des Telefons
riss ihn aus den Überlegungen. Mit der linken Hand - in der rechten
hielt er das Eis - fischte er das Handy aus der Innentasche seines Mantels
und sah mit einem Blick auf das kleine Display, wer anrief.
»Maja, schön, dass
du anrufst.«
»Hör zu, ich habe
nicht viel Zeit: Wir werden gleich Alexandra Voosen verhaften.« Sie
klang abgehetzt und sprach leise. »Sie hatte viele gemeinsame
Kontakte mit Christian Vorberg.«
Ulbricht runzelte die Stirn,
was sie nicht sehen konnte.
»Aber deshalb
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