Tödlicher Schnappschuss
wissen, ich bin glücklich
mit Grit, und wir sind seit siebzehn Jahren ein Paar und haben zwei
reizende Kinder. Aber was Lady Celeste betrifft, so hat sie sich erst ein
paar Tage später bei mir gemeldet. Hier im Krankenhaus.« Er
hielt zum Unterstreichen seiner Worte das Telefon in die Höhe.
»Irgendwie muss es ihr gelungen sein, an meine Daten zu gelangen.
Ich habe den Abend sehr genossen, und all meine Erwartungen von einer
Escort-Lady wurden durchaus erfüllt. Aber all das war die Sache nicht
wert: Zu dem schlechten Gewissen meiner Frau gegenüber kommt nun auch
noch die Erpressung.«
»Wer erpresst Sie?«
Kunst zuckte hilflos die
Schultern. »Jemand rief hier an und verlangte fünftausend Euro,
die mir mein guter Ruf wert sein sollten, wie er sagte. Fast zeitgleich
erhielt ich eine Mail mit äußerst brisanten Fotos, die mich im
Bett mit Lady Celeste zeigen. Es wäre unverantwortlich, die Bilder an
die Öffentlichkeit zu bringen. Meine Ehe wäre ruiniert, und mein
guter Ruf als angesehener Kardiologe … ich wäre am Ende meiner
Laufbahn, verstehen Sie?«
»Absolut.« Maja
nickte. Plötzlich wusste sie, wer die verfänglichen Bilder von
Lady Celeste - alias Alexandra Voosen - und Dr. Daniel Kunst gemacht
hatte. Und sie hatte eine Idee, wie die Zusammenarbeit der beiden
funktioniert haben könnte …
»Was haben Sie getan?«
»Natürlich habe
ich bezahlt. Auf ein Konto in Liechtenstein. Niemand durfte davon
erfahren, das Geld habe ich von meinem Privatkonto überwiesen.«
»Vielleicht könnten
wir anhand der IP-Adresse, von der aus sie die Bilder gesendet hat, zurückverfolgen,
von wo …«
»Auf gar keinen Fall!«,
unterbrach Kunst sie aufgebracht. »Ich habe einen schwerwiegenden
Fehler begangen, den ich sehr bereue. Und ich habe diesen Fehler mit viel
Geld büßen müssen. Nun bin ich froh, dass alles gut
verlaufen ist.«
»Wie können Sie
sicher sein, dass die Bilddateien restlos gelöscht wurden?«
Maja wunderte sich über die Naivität des Mediziners.
»Das kann ich natürlich
nicht«, gab er kleinlaut zu. »Aber ich hatte keine andere
Wahl. Wie sollte ich denn verhindern, dass sie die Bilder publik macht?«
»Das könnte sie
theoretisch heute immer noch«, gab Maja zu bedenken.
»Allerdings, und genau
dieses Wissen bereitet mir auch heute noch, ein halbes Jahr nach dem
unerfreulichen Zwischenfall, schlaflose Nächte. Meine Frau ist krank,
sie ist depressiv, und ich fürchte, dass sie solche Fotos völlig
aus dem Gleichgewicht werfen würden.«
Plötzlich hatte Maja
eine Idee.
»Wo waren Sie gestern
Nacht?«
Die Gesichtsfarbe von Dr.
Kunst wechselte von tiefrot auf leichenblass. Er wischte mit den Händen
auf dem Schreibtisch herum, fischte nach Staubkörnchen, setzte die
Brille auf und blickte Maja mit schweißnasser Stirn an.
»Zu Hause, bei meiner
Frau - wo sonst?«
Maja erhob sich. »Und
das kann uns Ihre Frau bestätigen, nehme ich an.« Sie ging zur
Tür. Dort angekommen, wandte sie sich noch einmal zu Dr. Kunst um.
Sie kehrte an den Schreibtisch zurück und legte ihm ihre Visitenkarte auf den
Tisch. »Danke für das Gespräch«, sagte sie. »Wenn
Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich bitte an. Tag und Nacht.«
Dann war sie draußen. Wenn Alexandra Voosen so mit weiteren Kunden
umgegangen war, dann lebte sie wahrscheinlich sehr gefährlich. Und plötzlich,
so erschien es Maja, war die Welt voller Mörder, die es auf das
Callgirl abgesehen hatten, nachdem man ihren Partner, den Fotografen
Christian Vorberg, getötet hatte.
FÜNFZEHN
Hehlen-Hohe, 12.40 Uhr
Das Dorf brütete in der
Mittagshitze, und über dem Asphalt der Straße flimmerte die heiße
Luft. Es war, als ruhe der Ort in einem Dämmerschlaf. Der würzige
Geruch von Kuhdung hing über Hehlen. Maja hatte keine Probleme mit
Landluft. Sie trat durch den kleinen Garten an die Tür von Alexandra
Voosens verwinkeltem Fachwerkhaus. Sie öffnete schon nach dem ersten
Klingeln und blickte Maja erschrocken an. Maja musste zweimal hinsehen, um
sie als das Luxus-Callgirl zu identifizieren, das sie von den
Vorberg-Fotos kannte. Sie war der Typ bodenständige, natürliche
Frau von nebenan im besten Alter: Alexandra Voosen war dezent geschminkt
und trug ein luftiges Sommerkleid, das ihre Figur vorteilhaft betonte. Ein
dezenter Parfümduft umgab die junge Frau, der man ihren Beruf in
diesem Outfit nicht
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