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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Witwe.«
    »Dann wirst du dem Kater ein bißchen Plutoniumstaub in die Milch rühren. Fällt er nicht um, haben wir den Beweis, daß dieses Aas von Wawra wieder Puderzucker mitgebracht hat. Dann häng sie auf!«
    »Ich will es versuchen, Igor Germanowitsch. Und wenn die Katze stirbt …?«
    »Dann ist Wawra ein Rätsel, mit dem ich mich selbst beschäftigen werde! Es gibt keinen Menschen, der Plutoniumstaub überlebt! Das ist bewiesen.«
    »Ich berichte weiter.« Suchanow machte am Telefon eine Verbeugung. »Wann kommen Sie?«
    »Das wird dir noch mitgeteilt.« Damit war das Gespräch beendet.
    Suchanow atmete auf. Sybin hatte keinen eindeutigen Tötungsbefehl erteilt. Häng sie auf … das bewertete er als eine im Gespräch herausgerutschte Redewendung. Er hatte nicht klar gesagt: Du bringst sie heute noch um! Suchanow hätte nicht gewußt, was er dann getan hätte. Aber die Sache mit der Katze war eine gute Idee, die Wawras Tod um einige Tage hinauszögerte, falls das Plutonium nicht doch noch Wirkung zeigte.
    Am Abend lockte Nikita den zutraulichen Kater mit einem Stückchen Wurst und einem Schälchen Milch in den Keller. In die Milch hatte er die feuchte Messerspitze getaucht, an der nur wenig Plutoniumstaub haftete, allerdings genug, um nach den Berechnungen der Experten tausend Menschen innerhalb von drei bis vier Tagen zu töten. Auch wenn man sagt, Katzen seien zäh … innerhalb von drei Tagen würde auch sie Blut spucken und ihr Inneres zersetzt sein.
    »Mein Katerchen«, lockte Suchanow, als sich die Katze liebevoll schnurrend an seinen Hosenbeinen rieb, »verzeih mir. Aber es geht um Wawra, und Wawra steht meinem Herzen näher als du, mein liebes Tierchen, das mußt du einsehen, mein grauer Schnurrer. Ein Mensch ist nun mal wertvoller als eine Katze, und außerdem dienst du der Wissenschaft. Denk an die tapfere Hündin Laika, die mit dem ersten Satelliten 1957 ins Weltall geschossen wurde. Du wirst nicht so berühmt werden wie Laika, aber ich werde immer an dich denken.«
    Er streichelte den Kopf des Katers, ließ die Wurstscheibe in die verseuchte Milch fallen und stellte die Schale auf den Kellerboden. Dann ging er schnell weg; er wollte und konnte nicht mitansehen, wie die Katze die Milch schleckte und die Wurst fraß.
    Zum Glück hatte Wawra heute wieder Nachtdienst, und Suchanow war allein. Er blickte auf die Uhr, setzte sich vor den Fernseher, sah sich einen Film über Iwan den Schrecklichen an und dachte: Nicht anders ist Sybin, nur moderner. Er tötet nicht selbst wie Iwan, er nagelt keine Hüte auf dem Kopf fest, wenn man sie nicht schnell genug zieht … er läßt töten.
    Als der Film zu Ende war, blickte Suchanow auf seine Uhr. Fast zwei Stunden waren vergangen. Er stand auf und ging in den Keller. Irgend etwas mußte geschehen sein … wer den Tod von tausend Menschen gefressen hat, kann nicht mehr herumspringen.
    Die Milchschale war leer, die Wurst gegessen, der Kater verschwunden.
    Suchanow begann, alle Kellerräume zu durchsuchen. Man sagt, daß Tiere sich zum Sterben in eine Ecke zurückziehen, sich verkriechen, die Einsamkeit suchen … aber der Keller war kein Sterbelager geworden. Die Katze war weg!
    Er nahm die Schale an sich, ging wieder hinauf in seine Wohnung, spülte die Schale in kochendem Wasser aus und stellte sie in den Küchenschrank zurück. Er ahnte nicht, daß kochendes Wasser die Strahlung von Plutonium nicht auflöst.
    Am nächsten Morgen – Wawra schlief noch – klopfte es an der Tür von Suchanows Wohnung. Er öffnete und blickte in das tränennasse Gesicht seiner Nachbarin, der zweiundsiebzigjährigen Witwe.
    Sie stürzte in die Wohnung, streckte beide Arme in die Höhe und schrie mit heiserer Greisenstimme: »Er ist tot! Er rührt sich nicht! Blut ist aus seinem Schnäuzchen geflossen. Vor meinem Bett liegt er, als habe er um Hilfe gefleht. Aber ich habe geschlafen. Nikita Victorowitsch, er lebt nicht mehr. Mein Glück, meine Liebe, mein einziger Freund – alles ist dahin! Warum lebe ich noch?«
    »Ihre Katze ist tot?« fragte Suchanow scheinheilig. Er hatte große Mühe, seiner Stimme einen traurigen Klang zu geben, denn ihm war zum Jubeln zumute. »Wie kann so etwas passieren?«
    »Ich weiß es nicht. Gestern sprang er noch herum, lag auf meinem Schoß, leckte mir die Hand. Und heute nacht …« Sie heulte wieder, lehnte sich an die Wand, und Suchanow holte schnell einen Stuhl aus dem Zimmer, damit sie nicht umfiel. Sie setzte sich, drückte ihre Schürze an die

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