Tödlicher Staub
hat ihren toten Liebling in ihr Bett gelegt …«
»Was hat sie?« Wawra zuckte hoch, ihre Augen weiteten sich voller Entsetzen. »Das Bett, Eftimia, die ganze Wohnung muß entseucht werden. Ich rufe die Rettungswache des Atomkraftwerkes an!«
»Tu es, Wawra …«
Keine zwanzig Minuten später rasten zwei Seuchenwagen durch die Stadt, hielten vor dem Haus, und vier Männer in Schutzanzügen stürmten die Treppe hinauf. Sie sahen wie Mondmenschen aus, ergriffen die schreiende und sich wehrende Eftimia und schleppten sie weg. Auch Suchanow und Wawra mußten das Haus verlassen und kamen in eine Zelle des großen Spezialwagens. Zwei Männer schoben den toten Kater in einen Plastiksack und trugen ihn hinaus. Das Haus wurde weiträumig abgesperrt. Keiner durfte die Straße benutzen, sogar der Verkehr wurde umgeleitet. Wie ausgestorben war alles, als lägen in jedem Haus verstrahlte Leichen.
Welch ein Aufwand!
Suchanow, der in der Isolierzelle Wawra gegenübersaß, starrte sie fasziniert an.
Und sie lebte noch immer!
Doch eines war jetzt bewiesen: Sie hatte keinen Puderzucker geliefert.
Igor Germanowitsch Sybin … dieses Rätsel wird uns noch zu schaffen machen:
Wo kommt der Puderzucker her?
Natalja Petrowna flog nach Paris.
Um standesgemäß auftreten zu können, bezog sie eine Juniorsuite im Hotel Ritz, die Sybin per Fax bestellt hatte, gleichzeitig mit dem Auftrag an eine Schweizer Bank, die Miete für vier Wochen an das Ritz zu überweisen. In der Tasche hatte Natalja einige tausend Dollar mitgenommen und eine goldene Kreditkarte.
»Kauf dir, was dir gefällt«, hatte Sybin noch einmal zu ihr gesagt. »Kleider, Schuhe, Schmuck … wir machen nicht Konkurs dadurch.« Er hatte schallend gelacht und Natalja an sich gedrückt. »Aber ich verlange von dir eine Gegenleistung.«
»Und die wäre?«
»Komm mir nicht zurück ohne Mikrofotos von den Akten des Sonderkommandos der Sûreté. Das ist deine einzige Aufgabe! Und denk immer daran, mein Schweinchen, wenn du mit den Männern in die Kissen steigst: Nie ohne Schutz! Importiere kein Aids oder sonstige Krankheiten aus Frankreich!«
»Ich werde dich, wenn ich zurückkomme, mit allem infizieren, was möglich ist!« antwortete sie wütend. »Für was hältst du mich eigentlich?«
»Müssen wir darüber noch diskutieren?« Sybin grinste breit und beleidigend.
»Und wenn ich in Paris bleibe? Wenn ich mich dort verliebe?«
»Du kannst nicht lieben, du kannst nur vögeln.«
»Vielleicht entdecke ich mein Herz für einen Mann!« schrie sie Sybin an. »Was dann?«
»Dann stell neben dein Brautbett einen Sarg.« Sybin sagte es völlig ruhig, nur seine Augen waren hart und gnadenlos. Und Natalja wußte, daß diese Drohung Wahrheit werden würde.
»Du wirst mich nicht finden!«
»Ich finde dich. Das weißt du.«
»Bin ich denn dein Eigentum?« schrie sie. Sybin nickte.
»Ja. Keiner kann dich mir wegnehmen. Solange ich lebe, gehörst du zu mir.«
»Nur, weil du mich ernährst, weil du mir diese Datscha schenkst, mich mit Kleidern und Schmuck behängst?«
»Es ist etwas anderes. Denk darüber nach.«
»Ich liebe dich nicht, Igor Germanowitsch. Ich werde dich niemals lieben!«
»Man sollte das Wort ›niemals‹ aus der Sprache streichen. Es gibt kein ›niemals‹. Dagegen ist ›Geduld‹ ein gutes Wort.«
Im Ritz fiel sofort ihre aparte Schönheit auf, als Natalja Petrowna die Halle betrat und an die Rezeption ging. Der Taxifahrer schleppte sechs große Koffer einer bekannten Luxusmarke herein, und zwei Pagen rannten sofort zu ihm hin.
Der Chefportier des Ritz warf einen kurzen Blick auf die Reservierung und wußte sofort, wer in das Hotel hereingeschwebt war. Eine der neuen russischen Millionärinnen, die jetzt Paris und die Côte d'Azur als Statussymbol entdeckt hatten und mit Geld um sich warfen, als sei Rußland eine einzige Goldgrube. Das hatte man zu Anfang des Jahrhunderts schon einmal erlebt, als russische Fürsten und Großfürsten in der Spielbank von Monte Carlo Summen verspielten, von denen ein normales Dorf in der Normandie einen Monat lang hätte leben können. Die neuen GUS-Millionäre spielten zwar nicht – das war ihnen noch zu dekadent –, aber sie kauften Schmuck und Modellkleider, bewohnten die teuersten Suiten der Hotels und holten beim Bezahlen dicke Dollarbündel aus der Jackentasche. Was kostet die Welt, Genossen? Und wie ihre verhaßten Vorgänger, die Großfürsten, bestellten nun auch sie die Juweliere und Modeschöpfer in ihre
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