Tödlicher Staub
belastet hätte als eine Niederlage. Und ich habe Phantasie.«
»Dann laß mal hören!« Dr. Sendlinger ärgerte sich über Sybins überheblichen Tonfall. Moskau ist nicht Paris … einen Ducoux kann man nicht kaufen wie einen Polizeichef oder Staatsanwalt von hier. Dort leben keine hungrigen Russen, sondern satte Franzosen, Igor Germanowitsch.
»Ich werde mich um Tomsk-7 selbst kümmern«, sagte Sybin, während Sendlinger grollend aus dem Fenster über Moskau blickte. »Ich werde den Wissenschaftler Gregor Simferowitsch Kulnjak so in die Zange nehmen, daß seine grauen Haare weiß werden! Es gibt da eine Methode, bei der jeder Mann, selbst der furchtloseste und charakterfesteste, schwach wird: Man halte ihm nur ein scharfes Messer an den Sack.« Sybin griff wieder nach seinem Wodkaglas und trank. »Du siehst, kein Grund, um in Panik auszubrechen.«
»Ich habe keine Panik, Igor Germanowitsch.« Sendlinger riß sich von Moskaus Panorama los. »Wir müssen nur damit rechnen, daß die Preise fallen. Die anderen Anbieter könnten billiger verkaufen.«
»Dann wären es Idioten!«
»Nicht, wenn sie damit den Markt für sich sichern. Mit Dumpingpreisen hat schon mancher das große Geschäft gemacht: Rockefeller, Woolworth … Wenn man im Geschäft einmal drin ist, kann man die Preise wieder anheben, und dabei zieht der Kunde mit. Aber wir sind draußen.«
»Wir liefern reinstes Plutonium!«
»Die zwanzig Gramm aus Köln hatten einen Reinheitsgrad von neunundneunzig Komma fünf! Reiner geht es nicht.«
»Und deshalb muß ich an die Akten ran! Ich muß Namen wissen …«
»Wir drehen uns im Kreis: Du kommst nicht an den Tresor!«
»Was wollen wir wetten?« Sybin blieb vor Sendlinger stehen und sah ihn angriffslustig an. »Setzen wir eine Frist fest: In drei Monaten weiß ich, woher dein Kölner das Plutonium bekommen hat.«
»Jetzt bist du verrückt!« Sendlinger schüttelte den Kopf. »Um was wetten wir?«
»Nicht um Geld. Davon habe ich genug. Wetten wir um ein Leben.«
»Willst du mich umbringen lassen? Soll ich dich umbringen?«
»Wie heißt der Mann, der Londricky ermordet hat?«
»Hässler. Adolf Hässler.«
»Wetten wir um Hässlers Leben! Er hat einen großen Fehler gemacht. Wenn du verlierst, wirst du ihn liquidieren.«
»Sybin!« Sendlinger schnellte aus seinem Sessel hoch. »Das ist doch Wahnsinn! Und wenn du verlierst?!«
»Dann schenke ich Hässler sein Leben …«
»Du bist ein Teufel!« Sendlinger atmete hastig durch. »Ich bin entsetzt, was ich alles an dir entdecke!«
»Hast du geglaubt, du kennst mich?« Sybins breites Lächeln ließ einen Schauer über Sendlingers Rücken laufen. »Wer kennt mich schon? Niemand kennt mich! Ich bin eine Chimäre: vorn Löwe, in der Mitte Ziege, hinten Drache. Was bin ich wirklich?«
»Und darauf bist du stolz?!«
»Ist das kein Grund, stolz zu sein? Du kannst die Ziege vernichten, den Löwen töten … ich bin immer noch der Drache!«
»Es kann aber auch anders kommen … und die Ziege bleibt übrig.«
»An diese abstruse Möglichkeit denke ich nicht.« Sybin setzte sich Sendlinger gegenüber, als dieser wieder in seinen Sessel zurücksank. »Gilt die Wette?«
»Nein!«
»Schade. Es wäre interessant gewesen, zuzusehen, wie du Hässler tötest. Du bist ein großer Taktiker, mein Freund, aber an der Front ein Feigling.« Er wechselte abrupt das Thema und beugte sich zu Sendlinger vor. »Was ist mit den biologischen Waffen?«
»Sie bringen eine völlig neue Dimension ins Spiel. Das wichtigste: Wir wissen nun, daß waffenfähiges Atommaterial in der Welt herumgeistert, und wir haben Konkurrenz. B-Waffen dagegen werden nicht angeboten … da wären wir allein und damit führend! Ich weiß nicht, warum so viele Staaten scharf sind auf Plutonium und Uran, warum sie heimlich große Produktionsstätten bauen oder bauen wollen, warum sie anstehen nach Atomsprengköpfen und Interkontinentalraketen, warum sie einen höllischen Lärm mit ihren Bomben in Kauf nehmen … wenn sie alles viel einfacher, viel wirksamer und vor allem geräuschlos machen können mit ein paar Tütchen voll Botulintoxinen!«
»Man kann auch den tödlichen Staub von Plutonium 239 geräuschlos über die Landschaft streuen. Paul, das ist doch die Grundlage unseres Geschäftes!«
»Es wird die Zeit kommen, wo Atombomben, die bislang durch ihr Vorhandensein abschreckend wirken und den Frieden garantieren, ihren Schrecken verlieren. Spätestens dann, wenn viele Staaten sie besitzen. Jeder
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