Tödlicher Staub
»Muß da erst eine Frau aus den USA kommen, um das Schweigen zu durchbrechen? Das muß doch für die russischen Kollegen beschämend sein, oder mischen die etwa beim Atomdeal mit?«
»Unwahrscheinlich.« Curley spielte mit seinen Fingern. »Es dringt nichts durch bis zu den Sicherheitsbehörden, und die wiederum werden daran gehindert, effektiv zu ermitteln. Wir wissen zum Beispiel, daß einige Generäle mit von der Partie sind, daß sie auf der Gehaltsliste der Mafia stehen, daß sie – nicht mit Nuklearmaterial, aber mit Waffen und Ausrüstungen – Millionengeschäfte machen, übrigens mit Billigung der Mafia, die sie deckt, damit aber auch zu abhängigen Werkzeugen macht. Aber wenn wir konkrete Beweise haben, wenn wir Namen nennen können, wird von Washington politischer Druck ausgeübt werden, dem sich Jelzin nicht entziehen kann. Auch wenn er – aus nationalem Stolz – zunächst alle Verwürfe abstreiten und als Propaganda der alten ›kalten Krieger‹ hinstellen wird. Aber damit kommt er nicht durch, die Hoover-Zeiten sind vorbei. Er muß reagieren … und damit haben wir ein Loch in die Mafiamauer gesprengt.« Er sah Victoria an. »Deshalb, Lieutenant Miranda: Informationen sammeln: Namen, Standorte, Transportwege, Lieferanten, Empfänger, Hintergründe, Kontaktpersonen und die Plutoniummengen, die frei herumgeistern. Dies ist ein weites, für uns noch brachliegendes Feld. Wir haben uns bisher nur mit dem Aufspüren geheimer Produktionsstätten befaßt, und das mit Erfolg. Jetzt müssen wir die Hintermänner des Atomhandels finden. Und dabei ist – so frivol das klingen mag – eine schöne Frau wie Sie der beste Spürhund.«
»Ich werde mein Bestes tun, Colonel.« Victoria Miranda lächelte Curley an, obgleich sich in ihrem Inneren ein beklemmendes Gefühl ausbreitete. Die Aufgabe, die man ihr zugeteilt hatte, war eine der gefährlichsten, die man sich denken konnte, und dafür kannte sie Beispiele: Bis jetzt, solange sie bei der CIA arbeitete, hatte es fünf Verluste gegeben, vor allem im Iran, dem Irak und in Syrien. Aber darüber sprach man nicht. Ihr Auftrag war vergleichbar mit dem Eindringen in das Drogenkartell der Heroinbosse von Kolumbien.
»Danke«, sagte sie kurz.
»Wenn Sie in Moskau so lächeln wie jetzt, hebeln Sie jeden russischen Mafioso aus den Schuhen!« sagte Curley.
»Und aus der Hose!« fiel Houseman ein.
Curley blickte Houseman strafend an. »Zu Ihnen, Captain. Sie werden in Tripolis als Teilhaber einer Ölexportfirma auftreten. Nicht Erdöl, sondern Salatöl! Der heutige Alleininhaber arbeitet bereits für uns, aber er hat Angst. Sie erhalten einen arabischen Namen, einen Originalpaß und eine typisch arabische Vita.«
»Auch fünf Frauen? Der Koran erlaubt das.« Houseman gluckste.
»Das überlasse ich Ihrer Potenz, Captain. Aber ich rate Ihnen, Ihre privaten Ambitionen unter Kontrolle zu halten. Zehn Frauenaugen sind gefährlich, schon zwei genügen. Ich weiß, ich weiß, Sie sind kein Bettplauderer … aber eine Frau hat einen schärferen Blick für die Wirklichkeit als ein Mann. Sie durchschauen einen Mann schneller, als dieser es glaubt. Sie haben doch bei uns gelernt: Die größte Gefahr für einen Agenten ist das Weib! Darüber ist schon mancher gestolpert.«
»Mit Todesfolge«, ergänzte Fontana. Ihm waren einige dieser Fälle bekannt.
»Sie sagen es, Captain Fontana.« Curley wandte sich ihm zu und lächelte nun ebenfalls. »Sie besitzen die Intelligenz und die Selbstbeherrschung, in Paris nicht in der Umklammerung schlanker Beine zu ersticken. Vorweg: Mein französischer Kollege vom Sonderdezernat V der Sûreté, Monsieur Jean Ducoux, hat uns einen Bericht über die aktuelle Lage der Atomschmuggelbekämpfung in Mitteleuropa geschickt. Darin sind auch die Erkenntnisse des deutschen BKA – das heißt Bundeskriminalamt – enthalten. Man hat einige schöne Erfolge vorzuweisen, aber immer nur diese unwissenden Kuriere von Probesendungen von Plutonium 239 erwischt. Ausfuhrland: Rußland. Hintermänner: Fehlanzeige. Empfänger: unbekannt. Genügend Vermutungen, aber keine Beweise. Theorie: Es kommen noch viele Sendungen auf den verschiedensten Wegen nach Europa. Aber auf welchen Wegen? Es ist ein Ameisentransport … aber viele kleine Mengen ergeben am Ende vier Kilogramm Plutonium … und das ist die Atombombe! Vier Kilo Plutoniumstaub, über Frankreich ausgestreut, bedeuten Millionen Tote!«
»Unvorstellbar!« sagte Fontana.
»Unser Atomphysiker Dr. Rodney
Weitere Kostenlose Bücher