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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verantworten!«
    »Davon spricht keiner. Was Sie tun, ist ganz allein Ihre Sache. Aber Ihre Sicherheit – das ist unsere Sache.«
    »Und wie weit gehen Sie?« Victoria war so wütend, daß sie Reed provozierte und etwas sagte, was eine Dame eigentlich nicht sagt. »Wenn ich mit Sybin ins Bett gegangen wäre, hätte dann auch einer von der Botschaft neben dem Bett gestanden?«
    Reed lächelte sie an wie ein gütiger Vater. »Das hätte ich Ihnen nie zugetraut, Victoria, das ist nicht Ihr Stil. So gut habe ich Sie in den wenigen Tagen schon kennengelernt.«
    »Ich habe den Befehl zum uneingeschränkten Einsatz bekommen.«
    »Mag sein, aber Sie setzen sich selbst Grenzen.« Reed hatte keine Lust, dieses unergiebige Gespräch fortzusetzen. »Wir werden versuchen, diesen Sybin ausfindig zu machen. Okay? Und eine Wohnung haben wir auch für Sie in Aussicht, mitten in der Altstadt. Wir bekommen in drei Tagen Nachricht, ob sie geräumt ist.«
    »Hervorragend. Ich danke Ihnen, Kevin.«
    »Keine Ursache. Ich halte Ihren Plan nach wie vor für blödsinnig. Was dem russischen Geheimdienst nicht gelingt, das soll der CIA in einem fremden Land gelingen? Da kann man sich doch nur an den Kopf fassen.«
    Victoria ging hinauf in ihr Zimmer. An dem, was Reed gesagt hatte, war etwas Wahres dran. Aber er kannte Sybin nicht. Ein eitler Mann wie dieser Sybin würde sie in die richtigen Kreise einführen, schon, um ihr zu zeigen, welches Ansehen er genoß. Sie war sich sicher, mit Sybin den Schlüssel zur geheimen, aber trotzdem überall spürbaren Macht zu haben.
    Jetzt allerdings, einen Tag später, stand sie in der Eingangshalle des Rubjow-Museums und war enttäuscht, daß Sybin seine Verabredung nicht eingehalten hatte. Sie wartete noch eine Viertelstunde, um ganz sicher zu sein, daß er sich nicht nur verspätet hatte, nahm dann ein Taxi und ließ sich zum Tropical fahren. Der Fahrer sah sie zweifelnd an – ins Tropical, am hellichten Tag? Noch dazu eine Ausländerin? Seit wann beschäftigt die Sexbar ausländische Mädchen? Eigentlich läuft es ja umgekehrt: Man exportiert die Mädchen in den Westen. Ein ständiger Strom hübscher Russinnen fließt über die Grenzen in das Paradies der Kapitalisten, gut organisiert von einer Firma, die Mädchen als Handelsware betrachtet.
    Der Taxifahrer lud Victoria vor dem Tropical ab und bekam dafür fünf Dollar, ohne daß er einen Preis zu nennen brauchte. Er steckte sie ein und fuhr eilig davon. Eine Neue, eine Ahnungslose … fünf Dollar … sie weiß noch nicht, was fünf Dollar jetzt in Rußland wert sind.
    Es dauerte eine Zeitlang, bis sich auf das anhaltende Klingeln die Tür des Tropical öffnete. Der Geschäftsführer, der offensichtlich im Haus wohnte, starrte Victoria mit verquollenen Augen an, erkannte aber sofort die schöne Amerikanerin wieder, an deren Tisch er Igor Germanowitsch geführt hatte. Mit seinem mangelhaften Englisch fragte er:
    »Haben Sie etwas im Lokal vergessen, Lady?«
    »Ja.« Sie lächelte ihn herausfordernd an.
    »Wir haben keine fremden Gegenstände gefunden.«
    »Ich habe die Adresse von Mr. Sybin verloren …«
    Der Name Sybin ließ ihn sofort hellwach werden. »Das ist unmöglich, Lady!« sagte er abweisend. »Mr. Sybin hinterläßt nie seine Adresse.«
    »Bei mir hat er eine Ausnahme gemacht.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Aber Sie kennen doch seine Adresse?«
    »Nein. Ich habe keine Ahnung.«
    Sie wußte, daß er log, und sie sah auch, daß er sich zusammenrollte wie ein Igel und die Stacheln aufstellte. Er würde jetzt kein Wort mehr sagen, auch wenn sie ihm hundert Dollar hinhielt. Aber eines hatte sie an der Reaktion des Geschäftsführers erkannt: Sybin mußte ein mächtiger Mann sein. Dieser eitle Fatzke mit seinen neun beringten Fingern, seinem Menjoubärtchen und den pomadisierten Haaren erzeugte Angst. Jetzt war ihr auch erklärbar, warum sich bei seinem Erscheinen in der Bar die Stimmung schlagartig verändert hatte und alle zu ihrem Tisch gestarrt hatten.
    Wer war Igor Germanowitsch Sybin?
    Und in diesem Augenblick explodierte in ihr die Erkenntnis: Er ist einer der geheimnisvollen Mächtigen, die, sich selbst im Hintergrund haltend, nicht nur Moskau, sondern ganz Rußland kontrollieren und an Hunderten von Fäden die Marionetten dirigieren, die das neue Rußland repräsentieren.
    Victoria spürte plötzlich ihren Herzschlag: Sie war auf dem richtigen Weg. Jetzt mußte sie sich an ihn hängen, bis er – stolz, sie erobert zu haben – sie dem

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