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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Non! Nicht da …«
    Sybin hörte nur das Nein und drückte die Tüte an sich. Er hatte Natalja ins Haus gehen sehen, und ihr Citroën stand noch auf der Straße, sie war also nicht weggefahren, während er sein ›Werkzeug‹ gekauft hatte. Er wölbte die Unterlippe etwas vor und kniff die Augen zusammen.
    Madame, einen Sybin belügt man nicht, nicht in Rußland und auch nicht in Paris. Wer einen Sybin belügt, wird sein Leben lang daran denken. Es gab Lügner, die später ohne Zunge herumliefen, und es gab Lügner, die nichts gesehen haben wollten, die kurz darauf ihre Augen verloren. Doch bisher hatte er sich nicht selbst darum gekümmert – er hatte sich nur den Vollzug melden lassen. Hier war es anders. Er war allein, und eine alte Frau belog ihn.
    Ein Funken Mitleid glomm in ihm auf. Mütterchen, dachte er, nun ganz ein Russe, ich muß dir weh tun. Verzeih, aber es gibt keinen anderen Weg diese Treppe hinauf. Um meine Ehre geht es, mein Stolz ist zertreten worden, man hat mir meine Seele geraubt, meinen Glauben an eine wirkliche Liebe gemordet … da kannst du mir nicht im Weg stehen, Mamutschka. Ich muß es tun, sonst müßte ich mich bei jedem Blick in den Spiegel bespucken.
    Er nickte Madame Bandu freundlich zu, ging zu ihr hinter die Rezeption, umarmte sie, und noch bevor sie sich aus der Umarmung befreien konnte, drückte Sybin zu. Er preßte ihre Halsschlagader so fest zusammen, daß eine plötzliche Blutleere im Gehirn entstand. Bewußtlos sackte sie zusammen. Sybin zog sie an den Beinen ins Hinterzimmer und legte sie dort auf ein altes, rotes Sofa. Auf dem Herd brutzelten die Sardinen in einer tiefen Pfanne. Er ging hin, überwand seinen Ekel, schob die Pfanne von der Kochplatte und schaltete den Elektroherd aus. Um ganz sicher zu sein, drückte er noch einmal auf die Halsschlagader, fesselte Juliette mit zwei verknoteten Handtüchern und schob ihr eine Serviette als Knebel in den Mund.
    »Es dauert nicht lang, Mamutschka!« sagte Sybin und betrachtete das Bündel Mensch. »Es ist schnell vorbei. Nur eine böse Erinnerung bleibt zurück, mehr nicht …«
    Auf der Treppe öffnete er die Tüte und holte das lange, schmale Messer heraus, steckte es in seinen Gürtel, nahm das Beil und wog es in der Hand. Der Schwerpunkt war gut ausgewogen … ein Schwung, nur ein Hieb aus der Schulter heraus, so spaltete man schnell einen Kopf.
    Ohne sich Mühe zu geben, leise zu sein, ging Sybin über den Flur und lauschte an jeder Tür. Auf diesem Stockwerk gab es acht Zimmer, und sein Gefühl sagte ihm, daß sich Natalja hinter einer der Türen aufhielt, vielleicht im Begriff war, sich auszuziehen oder gar schon mit ihrem Liebhaber im Bett lag, einem leidenschaftlichen Vorspiel hingegeben.
    Es war das letzte Zimmer.
    Sybin hörte leise Radiomusik – nicht Borodin oder Glinka, die er so liebte und sehr oft hörte, wenn er mit Natalja zusammen war, nein, es war amerikanische Popmusik, und ein Sänger mit einer Fistelstimme piepste herum. In Sybins Ohren klang es wie das Gegeneinanderreiben von zwei Stahlnägeln.
    Es war ein Fehler, daß die Tür nicht verriegelt war. Fulton wartete noch auf den gut gekühlten Weißwein, den Madame Bandu heraufbringen wollte. Sonst war alles wie immer: ein Tisch, gedeckt mit einer weißen Decke, mit geeistem Kaviar und einigen Zutaten, zwei Weingläser, zwei Porzellanteller, die Bestecke, das frische Baguette und sogar kunstvoll gefaltete Servietten.
    Fulton saß mit dem Rücken zur Tür und trank einen Whisky, was einem Feinschmecker die Haare zu Berge gestellt hätte. Whisky pur vor Kaviar – das war barbarisch! Aber Fulton, in seiner amerikanischen Unbekümmertheit, hatte Lust auf einen harten Drink, bevor er sich mit Natalja über den Kaviar und den trockenen Weißwein hermachte.
    Er saß mit bloßem Oberkörper am Tisch, nur bekleidet mit einer Hose, barfuß, und er wippte mit den Füßen zum Takt der Melodie aus dem Radio. Er hatte die Musik so laut gedreht, daß er nicht hörte, als sich die Tür leise öffnete und Sybin ins Zimmer trat. Natalja war nicht da, aber ihre Kleider lagen über einer Stuhllehne, die zierlichen, hochhackigen Schuhe standen neben dem aufgeschlagenen Bett.
    Sybin zog die Schultern hoch. Als im Radio eine Pause entstand und eine Ansage für die neuen Musiknummern ertönte, hörte Sybin das Rauschen von Wasser und Nataljas Stimme. Sie sang, sang im Badezimmer unter der Dusche. Das kannte er, denn er hatte oft vor der Badezimmertür gestanden und verzückt

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