Tödlicher Staub
ein normaler Mordfall. Und stinknormale Mordfälle locken keinen Journalisten aus seinem Büro.«
»Verhänge eine absolute Nachrichtensperre. Ob wir diese Sache bekanntmachen, muß das Ministerium entscheiden. Das ist jetzt kein Mordfall mehr, sondern eine Staatsangelegenheit von höchster Brisanz. Verstehst du?«
»Mir haben sie die Ohren noch nicht abgeschnitten.«
Ducoux knallte den Hörer auf die Gabel, sprang in seinen Peugeot und fuhr zum gerichtsmedizinischen Institut. Und dann stand er vor der Leiche und schüttelte den Kopf, als er den gespaltenen Schädel betrachtete. Pierre Germain beobachtete ihn.
»Mit einem Beil …«, sagte Ducoux leise.
»Und gleich zweimal. Der Mörder war gründlich – zweimal ist sicherer. Ein Gangsterkrieg – denkst du das auch? Sybin stand einem anderen im Weg … das ist immer lebensgefährlich in diesem Beruf.«
»So kann es gewesen sein. Kann!« Ducoux zog das Laken über Sybins zerhackten Kopf. »Aber es gibt auch andere Tatmotive.«
»Sybin hat in einem Puff randaliert, und da hat man ihm auf die Rübe gehauen!«
»Das ist am wenigstens glaubwürdig. Eher könnte es so gewesen sein, daß er bei Verhandlungen über Plutoniumlieferungen die Erwartungen seiner Abnehmer nicht erfüllt hat, und das war sein Todesurteil.«
»Da widerspreche ich aus Erfahrung. In einem solchen Fall schwingt man kein Beil, sondern liquidiert mit einem ganz normalen Schuß. Peng – und vorbei! Einfacher geht es doch nicht. Warum sich solche Mühe geben, Kleinholz aus einem Kopf zu machen?«
Ducoux verließ den kühlen Raum, ein Gehilfe des Gerichtsmediziners schob Sybin in eine Box. Draußen, im Zimmer des Arztes, sah sich Ducoux um.
»Suchst du was?« fragte Germain.
»Ich brauche jetzt zwei Kognaks.«
»Für jeden Spalt einen?«
»Pierre, du bist ein so lieber Kerl und ein so guter Freund …« Ducoux holte tief Luft und schrie ihn dann an: »Aber laß dieses Gerede in meiner Gegenwart.«
»Schon gut!« Germain hob beide Hände. »Es muß wohl so sein, daß ihr von der Sûreté ein sensibler Verein seid.«
Zurück in seinem Büro, rief Ducoux im Hotel Monique an. Madame Bandu meldete sich mit müder Stimme. Sie hatte die vergangene Nacht das Blut von den Dielen gescheuert, die blutige Bettwäsche gewaschen und die blutbespritzten Möbel abgewischt. Der alte Wollteppich aber war nicht mehr zu retten, er mußte verbrannt werden. Ihn reinigen zu lassen, war zu gefährlich. Natalja und Fontana hatten in Madame Bandus Schlafzimmer geschlafen. »Ich werde die ganze Nacht putzen müssen!« hatte sie geklagt. »Legt euch ruhig hin. Ich bin eine zähe Katze … das Leben macht einen dazu.«
Juliette wußte nicht, wer dieser Ducoux war, der sich am Telefon meldete. Als er Monsieur Fulton zu sprechen verlangte, glaubte sie, es hänge mit Bobs Geschäften zusammen. Vielleicht ein Getränkegroßhändler.
»Ja, Monsieur Fulton ist hier. Einen Augenblick, Monsieur.«
Fontana kam in kurzer, geblümter Unterhose ans Telefon; er war gerade aufgestanden. Auch er hatte die Nacht kaum geschlafen. Er hatte Natalja beruhigt, die nicht aufgehört hatte zu zittern. Erst gegen Morgen wurde sie ruhiger, konnte ein wenig schlafen und stand jetzt im Türrahmen, als Fontana den Hörer aus Juliettes Hand nahm.
»Ja? Hier Fulton!« meldete er sich.
»Sie können wieder Fontana sein.« Dick erkannte Ducoux' Stimme sofort und nickte Natalja zu. »Warum, das erkläre ich Ihnen gleich. Kommen Sie zu mir ins Büro.«
»Sofort?«
»Wenn's möglich ist. Ich habe eine Überraschung für Sie.«
Fontana hielt die Sprechmuschel zu und nickte Natalja noch einmal zu. »Sie haben ihn gefunden. Der Endspurt beginnt.« Und wieder laut ins Telefon: »Ich bin in zwanzig Minuten bei Ihnen, Ducoux. Bin gespannt, womit Sie mich überraschen wollen.«
»Sie werden staunen, Fontana.«
Ducoux hatte in seinem Büro seine engsten Mitarbeiter versammelt. Als Fontana ins Zimmer kam, schlug ihm dichter Tabakqualm entgegen. Ungefähr zwanzig Beamte saßen oder standen an der Wand und warteten, was der Chef ihnen zu sagen hatte. Es mußte etwas außergewöhnlich Wichtiges sein, denn Ducoux war der einzige, der nicht rauchte.
»Jetzt sind wir komplett. Monsieur Fontana von der CIA kennen die meisten von Ihnen, die anderen wissen es jetzt. Um es kurz zu machen: Der meistgesuchte Mann aller Geheimdienste ist ein Russe, von dem man bisher vermutete, daß er der – sagen wir es auf italienische Art – Pate der russischen Atommafia
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