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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ludmila war dicklich und schwerfällig, so um die Fünfzig, hatte ein grobes Bauerngesicht und eine platte Nase wie ein Boxer. Daß sie zwei Fremdsprachen beherrschte, traute ihr keiner zu. Man hätte sie eher auf einem Traktor im Kartoffelacker vermutet. Ludmila steckte das Kompliment ohne Reaktion weg und wandte sich zur Tür.
    »Haben Sie sonst noch einen Wunsch, mein Herr?« fragte sie steif.
    »Nein, danke. Waren Sie auch schon im Tropical?«
    »Da passe ich nicht rein. Da sitzen die Geldsäcke, ich bin nur eine Kopeke.«
    Um einer weiteren Unterhaltung zu entgehen, verließ sie schnell das Zimmer.
    Sendlinger trat ans Fenster, öffnete es und blickte auf die Straße. Ein Verkehr wie auf dem Ku'damm: Autos, Menschen, ein ununterbrochenes Hin und Her. So ganz anders, als er es sich vorgestellt hatte. Das sind die verdammten Vorurteile. Er hatte einige Bücher über Moskau gelesen, darunter auch eines von Konsalik … darin wurde Rußland ganz anders beschrieben, als es sich ihm jetzt darbot. Schriftsteller! Die idealisierenden Verklärer oder die tendenziösen Schiefblicker.
    Er packte seinen Koffer aus, hängte Anzüge und Hosen auf die Bügel, ging ins Bad, duschte sich und zog ein frisches Hemd an. Für den Abend wählte er einen dunkelblauen Anzug und eine rot-blaugestreifte Krawatte aus, dazu dunkelblaue Kniestrümpfe – nichts sieht lächerlicher aus, als ein nacktes Männerbein mit rutschenden Socken. Er steckte fünfhundert Dollar ein; mehr wollte er nicht ausgeben, komme, was da wolle.
    Vor dem Portal des Monopol warteten drei Taxen. Er ging zum ersten Wagen, riß die Tür auf und setzte sich auf den Rücksitz. Dabei dachte er erneut daran, was er über Moskau gelesen hatte: Wenn du ein Taxi willst, frage nicht erst, setz dich einfach hinein, dann muß der Fahrer dich befördern. Fragst du ihn, sagt er ›Njet‹, weil er keine Lust hat. Er ist Staatsangestellter und bekommt sein Gehalt auch dann, wenn er nicht fährt.
    Aber auch das war anders geworden. Jetzt fuhren die meisten Taxen auf eigene Rechnung und waren froh über jeden Kunden.
    »Zum Tropical«, sagte Sendlinger.
    »Zum Tropical«, wiederholte der Taxifahrer auf deutsch. Sendlinger beugte sich zu ihm vor.
    »Sie sprechen deutsch?«
    »Wänig.«
    »Wo haben Sie das gelernt?«
    »In Karl-Marx-Stadt.«
    »Das heißt jetzt wieder Chemnitz.«
    »Alläs andärs gäwordän.« Der Fahrer startete den Motor. »Hier auch. Abär nix bässär …«
    »Es gibt keine Sowjetunion mehr. Sie sind ein freier Mensch.«
    »Freiheit? Was ist das? Die arm sind, wärden noch ärmer … wär reich ist, wird noch reichär. Und am reichstän wärden die Gaunär.«
    Dr. Sendlinger spürte einen Druck auf der Brust. »Kennen Sie solche Gauner?«
    »Im Tropical sitzen gänug härum. Fast allä sind dort Gaunär.«
    »Das ist doch übertrieben. Woher wollen Sie das wissen?«
    »Sie wärden äs sähän. Teurä Anzügä, Fingär voll Ringä, schönä Frau näbän sich … das sind die Obergaunär. Die rägieren jetzt, nicht Jelzin. Alläs habän sie an Hand. Allä zahlen Schutzgäldär …«
    »Sie auch?«
    »Ich auch. Ich will läbän. War nichts zahlt … Auto kaputt, später sälbst kaputt. Man gäwöhnt sich an Gangstär.«
    Sie hielten vor dem Tropical, und Sendlinger bezahlte mit Dollar, was den Taxifahrer begeisterte. Am Straßenrand parkten zahlreiche Mercedes und BMW, sogar ein Rolls-Royce war dabei und ein Cadillac mit einer CD-Nummer – Corps diplomatique, ein Botschaftswagen.
    »Viel Freudä.« Der Taxifahrer musterte seinen Fahrgast, als Sendlinger auf der Straße stand. »Darf ich einän Rat gäbän?«
    »Wenn er gut ist.«
    »Gähän Sie Natalja Petrowna aus däm Wäg.«
    »Wer ist Natalja?«
    »Tanzt auf Bühnä. Nackt. Schönä Frau. Aber Teufäl! Sie wärden sähän …«
    »Danke für die Warnung.« Sendlinger winkte dem Fahrer zu und ging zum Eingang. Er wußte jetzt schon, daß er diese Natalja treffen würde, ja treffen mußte. Wer einen solchen Ruf hat, kennt auch die richtigen Leute. Die besten Verbindungen knüpft man über die Frauen, vor allem in diesen Kreisen. Er hatte genug Beispiele in seiner Rechtsanwaltspraxis erlebt … ein Bett ist nicht nur zum Schlafen da. Mit einer Frau lassen sich fest verriegelte Türen öffnen.
    Der Portier vor dem Tropical warf einen schnellen Blick auf Sendlinger und stieß dann die Tür auf. Sein geübtes Auge sah sofort: Das ist ein Tourist. Einer aus dem Westen. Ein russischer Emporkömmling stinkt auch im

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