Tödlicher Staub
vertreten?«
»Nein.«
»Sehen Sie, genauso denke auch ich.« Dr. Sendlinger blickte auf die Bühne. Natalja setzte zum Finale an. »Widmen wir uns lieber unserer Schönen.«
Natalja sah hinunter zu Sendlinger und Sybin, zog ihren Goldslip aus und schob ihnen ihr nun entblößtes Geschlecht entgegen. Im Saal klatschten und pfiffen die Männer, die anwesenden Frauen verzogen die geschminkten Gesichter. Aus der Seitenkulisse flog ein Teddybär, den Natalja geschickt auffing. Und dann geschah das, was den Saal zum Toben brachte: Sie drückte das Bärchen fest an sich, preßte die Beine zusammen und bewegte sich und zuckte, als zerfließe sie in einem Superorgasmus. Plötzlich erstarrte sie, ergriff den kleinen Bären, zog ihn zwischen ihren Schenkeln hervor und warf ihn Dr. Sendlinger zu. Das Publikum tobte.
»Das ist eine Flasche Champagner wert!« rief Sybin und umarmte Dr. Sendlinger impulsiv. »Gospodin, du hast ihr Herz erobert … und nicht nur das …«
Natalja verschwand von der Bühne. Dr. Sendlinger setzte den Bären auf den Tisch. Ohne daß er bestellt hatte, brachte ein Kellner eine Flasche Roederer Brut Cristal.
Sybin strahlte Sendlinger an. »Der Champagner des Zaren«, sagte er. »Die Flasche wurde eigens für ihn erfunden. Ich meine, Natalja ist es wert, einen fürstlichen Champagner zu trinken. Sie ist die Majestät von Moskaus Nachtleben.«
So also funktioniert das, dachte Dr. Sendlinger wachsam und distanziert. Mit einem Frauenkörper ködert man das Opfer. Mein lieber Genosse Sybin, du kennst mich noch nicht. Ein Sendlinger ist noch nie das Opferlamm gewesen, immer nur der Schlächter. Jetzt fängt es an, wirklich interessant zu werden.
Es dauerte keine zehn Minuten, da erschien Natalja in einem engen, gelben Kleid und setzte sich an Sendlingers Tisch, als sei sie nur einen Augenblick weggegangen gewesen. Das Kleid war so eng, als sei es nicht aus Stoff, sondern als habe man den nackten Körper mit gelber Farbe übergossen. Es gab keine Wölbung, kein Teil des herrlichen Körpers, die nicht betont wurden. Das lange schwarze Haar trug sie offen – es floß über die Schulter wie glänzende Seidenfäden. Das Rot ihrer Lippen war diskret und betonte ihr Gesicht, dieses faszinierende, tatarische Gesicht mit den hohen Wangenknochen und den wie Feuer glühenden, tiefdunkelbraunen Augen.
Dr. Sendlinger nickte ihr kurz zu. »Nehmen Sie Platz«, sagte er, obwohl sie bereits saß. Er sprach englisch, aber Sybin machte eine abwehrende Handbewegung.
»Natalja Petrowna kann deutsch.« Sein Grinsen verstärkte sich. »Sie hatte fünf Monate lang einen deutschen Geliebten. Einen Direktor aus der Schwerindustrie. Man lernt Sprachen am leichtesten im Bett …«
»Er lügt.« Nataljas Stimme war erregend wie ihr Körper … ein dunkelgefärbter Tonfall, in dessen Timbre Sehnsucht, Lockung und Hingabe schwangen. Und genau diese Stimme war es, die Dr. Sendlinger aus seiner gespielten Reserve lockte.
»Woher können Sie deutsch?« fragte er.
»Ich habe es in der Schule gelernt. Es war ein Wahlfach.«
»Und warum haben Sie gerade diese Sprache gewählt?«
»Ich weiß es nicht. Ich hatte plötzlich den Gedanken: Das mußt du nehmen. Aber mein Deutsch ist schlecht.«
»Es ist hervorragend. Ich würde nie so gut russisch sprechen lernen.«
»Sie müssen einen guten Lehrer finden.«
»Oder eine gute Lehrerin.«
Sie ging auf diese versteckte Anspielung nicht ein, sondern sah zu, wie der Kellner die Champagnerflasche öffnete und die Gläser füllte. Sybin, der von der deutschen Unterhaltung nichts verstanden hatte, war dennoch zufrieden. Der Kontakt zwischen Natalja Petrowna und diesem Dr. Sendlinger war hergestellt. Er war planmäßig verlaufen.
»Darüber könnten wir uns einigen«, sagte Natalja, als der Kellner gegangen war. »Sie verbessern mein Deutsch, ich lehre Sie Russisch.«
Dr. Sendlinger blickte auf die Ansammlung von Kleidungsstücken auf seinem Tisch. »Eine Demonstration ihrer Fähigkeiten haben Sie mir ja bereits gegeben. Was erwarten Sie als Gegenleistung?«
»Muß man denn immer alles bezahlen?«
»Bei uns heißt es: Umsonst ist nur der Tod – und der kostet das Leben.«
»Wir Russen sagen: Der Wind über der Steppe ist der Vater allen Lebens.«
»Das ist viel poetischer.« Dr. Sendlinger nahm sein Glas und prostete Natalja und Sybin zu.
»Köstlich!« sagte sie, als sie einen Schluck getrunken hatte.
»Den Champagner hat Herr Sybin ausgesucht.«
»Igor Germanowitsch hat immer
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