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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Hat einen guten Fang gemacht, dein Herzblättchen. Einen Major – gut sieht er aus, ein strammes Männchen. Wenn er erst einmal General geworden ist, sitzt du im Buttertopf. Gratuliere, Freundchen.«
    Victorow blickte seinen Freund nachdenklich an. Nein, betrunken ist er nicht, dachte er, und geistesgestört ist er nie gewesen. »Du mußt dich geirrt haben«, sagte er nach einigem Nachdenken laut. »Ganz sicher hast du dich geirrt.«
    »Unmöglich. Gestern war's: Natalja kam mir entgegen, ging an mir vorbei, so nah, wie wir uns jetzt gegenüberstehen. Und eingehakt hatte sie sich bei diesem schönen Major, und gezwitschert hat sie wie ein Vögelchen und die Augen gerollt und mit dem Hintern gewackelt, daß mir ganz trocken im Hals wurde. Und dann habe ich gesehen, daß sie in ein Hotel gingen … das Hotel Dunja … ein kleines Hotel. Na, was machen Verliebte wohl in einem Hotel, he? Petr Nikolajewitsch, spiel nicht den Ahnungslosen. Ein hoher Offizier ist eine gute Lebensversicherung.«
    Victorow schnaufte. Er erinnerte sich: Gestern abend hatte Natalja aus dem Krankenhaus mehr Rubel nach Hause gebracht als an anderen Tagen. »Eine Prämie, Papa!« hatte sie gerufen. »Stell dir vor … ich habe eine Prämie bekommen, weil ich so fleißig bin!« Und er war fast geplatzt vor väterlichem Stolz.
    An diesem Abend wurde Natalja nicht wie sonst mit einer Umarmung empfangen. Als sie die Wohnung betrat, fröhlich wie immer, und fünfhundert Rubel auf den Tisch legte, fegte Victorow die Scheine mit einer wilden Handbewegung zu Boden. Erst jetzt sah Natalja, daß Mutter Sonja unter dem in Gold gerahmten Bild der schwarzen Madonna saß und in die Schürze weinte. Und als sie ihren Vater fragend anblickte, sah sie sein gerötetes Gesicht und seine hervorquellenden Augen, deren Blick wie ein Dolchstoß war.
    »Wer war es diesmal?« brüllte Victorow und zitterte vor Wut am ganzen Körper. »Ein Oberleutnant oder gar ein Oberst? Fünfhundert Rubel – welch ein geiziger Schwanz!« Er holte tief Atem, sein Herz zuckte krampfhaft … und jetzt, jetzt falle ich um und sterbe an zerbrochenem Herzen, dachte er, getötet von meiner Tochter … und er ballte die Fäuste und schüttelte sie vor Nataljas Gesicht.
    »Hure!« schrie er, und seine Stimme überschlug sich. »Meine Tochter ist eine Hure! Wälzt sich in Hotelbetten herum und steckt mir ihren Hurenlohn zu. Mit fünfzehn Jahren das Flittchen der Offiziere! Ich spucke vor dir aus, ich spucke …«
    Natalja senkte den Kopf. Auf diese Stunde hatte sie sich vorbereitet, sie mußte ja einmal kommen.
    »Väterchen …«, sagte sie mit klarer, kühler und doch kindlicher Stimme.
    »Nenn mich nicht so!« Victorow drehte ihr den Rücken zu. »Ich bin nicht mehr dein Vater!«
    »Ich tue es für euch.«
    Natalja bückte sich, hob die Rubelscheine vom Boden auf und legte sie auf den Tisch zurück. »Nur für euch! Ihr sollt nicht hungern und unglücklich sein. Eine gute Tochter bin ich, die für euch sorgt. Wenn du wieder eine Arbeit findest, Väterchen, höre ich sofort auf. Aber wovon wollt ihr jetzt leben? Von der winzigen Pension, mit der ihr euch nicht mal auf dem Schwarzmarkt eine Scheibe Speck kaufen könnt? Ihr solltet dankbar sein, aber mich nicht verfluchen. Wir wollen überleben – mit welchen Mitteln, danach fragt man nicht.«
    Es dauerte drei Wochen, bis sich Victorow damit abgefunden hatte, daß seine schöne Natalja ihnen ein sorgloses Leben bescherte. Zu seiner Frau Sonja sagte er nachdenklich, als er die zwei Pfund Fleisch betrachtete, die sie hatte kaufen können:
    »Die heutige Zeit lebt nicht von der Moral, alles hat sich geändert. Leben wir schlecht? Nein! So betrachtet, ist Natalja eine gute Tochter. Jeden Rubel gibt sie uns, diese wirklich schwer verdienten Rubel! Na gut, sie ist eine Hure … aber sie verdient Geld. Sieht man einem Rubel an, ob er in einer Fabrik oder in einem Bett verdient wurde? Wir müssen umdenken, Mütterchen. Und es ist ja auch nur vorübergehend. Ich werde mich weiter bemühen, eine Arbeit zu finden.«
    Natürlich fand Victorow keine Arbeit. Die ›untere Klasse‹ wuchs von Woche zu Woche, Natalja nahm Tanzunterricht, nicht bei einem Ballettmeister des Bolschoi-Theaters, sondern bei einer Lehrerin für Striptease, die sie lehrte, sich bei sinnlicher Musik so aufreizend auszuziehen, daß die neuen Reichen mit Rubeln und sogar mit Dollars um sich warfen, um mit der Tänzerin in einem der Hinterzimmer weiterzuspielen.
    Als Natalja nach

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