Tödlicher Staub
zuletzt entdeckten Planeten unseres Sonnensystems ableitete – den Planeten Pluto. Was ist nun dieses durch Uranspaltung erzeugte Plutonium?«
Wallner trank einen Schluck Mineralwasser. Jeder der Herren hatte mehrere Flaschen vor sich stehen. Beim Anblick dieser Flaschenbatterien hatten sie sofort gedacht: Das sieht nach einer längeren Sitzung aus. Keine normale Berichterstattung. Hoffentlich hat Wallner Mitleid und legt ab und zu eine Zigarettenpause ein. Und das Mittagessen in der Kantine wird ebenfalls ausfallen. Auch ein schäumendes Pils … man darf gar nicht daran denken.
»Plutonium ist ein Alphastrahler«, setzte Wallner seine Unterrichtsstunde fort. »Das bedeutet: Die Strahlung reicht nur wenige Zentimeter weit. Es kann also durch die Haut kaum in den Körper dringen, im Gegensatz zu der Uranstrahlung. Aber es kann durch die Atmung und die Nahrung aufgenommen werden! Absolut lebensgefährlich ist es, Plutoniumstaubteilchen einzuatmen … die Strahlung zerstört in kürzester Zeit die Lunge, den Bronchialtrakt und die Lymphgefäße. Das GSF-Forschungszentrum in München hat ausgerechnet, daß ein Millionstel Gramm Plutonium genügt, um einen Menschen zu töten! Es entstehen als Spätschäden Leber-, Lungen- und Knochenkrebs. Mit anderen Worten: Es gibt kein Entrinnen!«
Wallner legte ein Blatt Papier zur Seite und griff nach einem anderen. Das betretene Schweigen am langen Tisch zeigte ihm, daß seine Worte gewirkt hatten.
»Was wissen wir noch von Plutonium? Es schmilzt bei 641 Grad und siedet bei 3.232 Grad. Man kennt heute fünfzehn verschiedene Plutoniumisotope, von denen das Plutonium 239 das gefährlichste ist. Zusammen mit den Uran 235 wird es zur alles vernichtenden Waffe. Aber davon später. Plutonium 239 besitzt eine Halbwertzeit – das ist die Zeit, in der es sich um die Hälfte abbaut – von 24.100 Jahren! Man hat errechnet, daß nach zehn Halbwertzeiten von jeder Tonne Plutonium immer noch ein Kilo übrigbleibt. Das am längsten strahlende Plutoniumisotop 244 hat sogar eine Halbwertzeit von achtzig Millionen Jahren. Praktisch ist es also nicht abbaubar! Keiner weiß, wieviel reines Plutonium 239 lagert, vor allem in Rußland und den USA. Man schätzt die Menge auf sechshundert Tonnen! Das genügt, um bereits durch das Einatmen von Plutoniumstaub die gesamte Erdbevölkerung mehrmals zu töten! Mit anderen Worten: Wir haben die Vernichtung unserer Welt bereits in den Atombunkern lagern! Einen Vorgeschmack haben wir auch schon erlebt.«
Wallner trank wieder einen Schluck Wasser. Das Entsetzen packte auch ihn wieder, obgleich er diese Zahlen auswendig gelernt hatte. Die Kriminalisten am Tisch starrten ihn an. In einigen Gesichtern erkannte Wallner Zweifel an seinen Ausführungen. Es war auch schwierig, daran zu glauben … er selbst hatte sich beim Studium der Unterlagen gefragt: Ist das wirklich eine Tatsache oder nur eine Theorie? Mein Gott – der Mensch kann einen ganzen Planeten zerstören.
»In den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges arbeiteten amerikanische Wissenschaftler im Atomforschungszentrum Los Alamos fieberhaft an einer Atombombe, deren Grundmaterial Uran 235 und Plutonium 239 bildeten. In der chemischen Trennanlage von Hanford im Staat Washington stellte man mehrere Kilogramm Plutonium her und baute daraus – zusammen mit dem Sprengmittel TNT, einem konventionellen Sprengstoff, der durch Druck- und Hitzeentwicklung eine Explosion auslöst – die Atombombe. Diese Atombombe, von den Amerikanern ›Fat Man‹ getauft, explodierte am 9.8.1945 über der südjapanischen Hafenstadt Nagasaki. Wir alle kennen diese Tragödie der totalen Vernichtung. Und im Vergleich zu den heute möglichen Neutronenbomben, auch auf der Basis von Plutonium 239, war der Feuerball über Nagasaki nur ein Bömbchen! Heute ist Plutonium 239 der meistverwendete Sprengstoff für Kernwaffen. Es ist ein besonderes Plutonium, das man als ›Waffen-Plutonium‹ bezeichnet: In besonderen Reaktoren gewonnen aus dem Uran 239. Haupthersteller ist Rußland. Vermutliche Erzeuger: der schnelle Brüter Belojarsk in Westsibirien.« Wallner blickte auf und schob seine Papiere zusammen. »Ich weiß, meine Herren, in Ihren Köpfen brodelt es jetzt von Zahlen und Begriffen. Ich will Sie deshalb heute verschonen mit dem zweiten gefährlichen Nuklearprodukt, einem silberweißen, sehr weichen Metall aus der Gruppe der Alkalimetalle. Es hat seinen Namen aus dem Griechischen … Lithos, das Wort für Stein, weil das
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