Tödlicher Staub
Sie verkennen Ihre Situation. Sie befinden sich in Lebensgefahr.«
»Ach nee?! Wer will mir denn an die Wäsche?«
»Es gab da schon mal einen ähnlichen Fall, 1991. Ein Pole schmuggelte zweihundertsiebzig Gramm Lithium 6, bestand darauf: ›Ich sage nix!‹ und wurde kurz danach in einem Krankenhaus ermordet. Ritschratsch: Kehle durch. Das kann Ihnen auch passieren.«
»Und wo war da die Polizei?«
»Sie saß vor der Tür … der Mörder kletterte durchs Fenster.«
»Typisch!« Brockler versuchte ein Grinsen. Aber er spürte, wie ein Gefühl von Angst in ihm emporkroch. »Die Polizei – dein Freund und Helfer!«
Von da an schwieg er und antwortete nicht mehr auf Fragen. Der Verfassungsschutzbeamte sprach gegen eine Glaswand.
Im Hof der Spedition waren die Polizisten fündig geworden, Kommissar Lodemann hielt einen Stahlkasten in der Hand, ziemlich schwer für seine Größe, aber er wußte, daß das Gewicht von dem Bleimantel stammte. Der Kasten hatte in einer Kiste mit russischem Porzellan gelegen, eingepackt in Holzwolle, zwischen Kopien vom Tafelgeschirr des Zaren, kobaltblau mit Goldverzierungen. In Deutschland warteten viele Käufer auf neue Lieferungen.
Der Kommissar hielt sich nicht mit langen Reden auf. Als Brockler aus dem Wagen stieg, streckte er ihm den Kasten entgegen.
»Kennen Sie den?« fragte er knapp.
»Ja.«
»Und der Truck ist Ihr Wagen?«
»Nein. Der ist von allein aus Moskau gekommen.«
»Sie werden sofort nach Wiesbaden überstellt.«
»Warum denn das?«
»Zum BKA. Dort wartet man auf Sie.«
Brockler wandte sich zu dem netten Beamten des Verfassungsschutzes um. »Ist das damals in Wiesbaden passiert?« fragte er. »Das mit dem Polen?«
»Ja.«
Brockler wirbelte zu Lodemann herum. Seine Stimme überschlug sich fast.
»Ich protestiere gegen diese Überstellung. Ich will in Köln bleiben!«
»Nichts zu machen, Brockler.« Lodemann zuckte die Schultern. »Sie sind ein Fall für das BKA. Und Sie sind – leider – eine Art Staatsgeheimnis Nummer eins.« Er winkte seinen drei Polizisten zu. »Abführen.« Und sagte dann ironisch zu Brockler: »Gute Fahrt.«
Brockler zog den Kopf tief zwischen die Schultern. »Dafür möchte ich Ihnen in den Arsch treten, Kommissar!« zischte er durch die Zähne. Und als er zwischen zwei Polizisten an Stüßken vorbei zu dem Einsatzwagen ging, sagte Stüßken zu ihm:
»Freddy, Junge, Junge, was haste da angestellt?! Hast du 'ne Meise im Kopf? Atomschmuggel! Du warst doch sonst nie ein Rindvieh …«
Spät am Abend hielten sie vor dem Gebäude des BKA und ließen Brockler aussteigen. Ohne Handschellen, denn er hatte versprochen, sich gesittet zu verhalten. Flucht? Wer denkt denn an Flucht? Und wohin zu Fuß? Nur Idioten versuchen wegzulaufen.
Oberrat Wallner war noch in seinem Büro und erwartete Brockler. Sein Assistent KK Berger saß an einem Nebentisch und kaute an einem Brötchen mit Käse aus der Kantine. Er mochte keinen Käse, aber um diese Zeit war nichts anderes mehr zu bekommen.
»Willkommen, Herr Brockler«, begrüßte Wallner den Ankömmling. »Mein Name ist Wallner.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen«, antwortete Brockler ebenso höflich. »Herr Kommissar …«
»Oberrat …«, knurrte Berger hinter seinem Käsebrötchen.
»Von mir aus auch Oberrat. Eines vorweg: Sparen Sie sich alle Verhörtricks, die Sie auf Lager haben. Ich gestehe.«
»Zigarette? Ein Bier?« Wallner zeigte auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch.
»Wenn's geht … bitte beides.« Brockler setzte sich.
»Sie gestehen.« Wallner lehnte sich in seinem Schreibtischsessel zurück. »Das ist nicht alles, Herr Brockler. Ich möchte mehr wissen.«
Brockler sah Wallner eine Zeitlang stumm an. Er konnte es nicht erklären, aber dieser Oberbulle war ihm sympathisch. Kein Gegner, eher ein Berater. Verrückt, so etwas! Aber das Gefühl ließ ihn nicht los.
»Was bekomme ich, wenn ich rede?« fragte er schließlich. Wallner verharrte regungslos.
»Statt fünf vielleicht drei Jahre Knast.« Dabei lächelte er … ein guter Onkel. »Aber versprechen kann ich das natürlich nicht … kann nur vor Gericht und in den Protokollen Ihre Kontaktfreudigkeit erwähnen. Oft stimmt das den Richter milde.«
Das Bier brachte ein Kriminalbeamter, die Zigarette bekam er von Berger … Brockler trank das Glas Pils in einem Zug fast leer und rauchte dann genußvoll.
»Das hat mir gefehlt.«
»Worüber wollen Sie reden, Herr Brockler?«
Ȇber Tomsk, Moskau, Professor Poltschow,
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