Tödlicher Staub
dir sehr dankbar, Konstantin.«
Der Abschied war kurz. Micharin rannte zu seinem Wagen, um für Natalja die Tür zu öffnen, Kunzew suchte nach einem Schirm, und diesen Augenblick nutzte Nina, sich von Natalja zu verabschieden.
»Es war schön, dich kennenzulernen«, sagte sie leise. »Ich möchte, daß wir uns in den nächsten Tagen öfter sehen.« Und dann umarmte sie Natalja, drückte sie an sich und gab ihr einen Kuß. Aber es war kein gewöhnlicher Kuß … ihre Zunge spielte an Nataljas Lippen, schob sie auseinander, stieß in die Mundhöhle vor und zuckte über den Gaumen. Dabei stöhnte sie und rieb ihren Körper an Nataljas Hüften.
Wie versteinert ließ Natalja es über sich ergehen. Du lieber Himmel, dachte sie, sie ist lesbisch. Nina Iwanowna, die angesehene Ärztin, ist eine Lesbe. Verliebt hat sie sich in mich, vom ersten Augenblick an, als sie mich sah. Und ich habe es nicht bemerkt. Wer denkt denn auch an so etwas?! Wie soll ich mich jetzt verhalten? Und plötzlich wußte sie, daß die Hure Schicksal sie erneut beschenkt hatte: Was Kunzew ihr nicht sagen würde, erfuhr sie von Nina. Sie brauchte nur lieb zu ihr zu sein. Aber kann ich das? Kann ich mit einer Frau im Bett liegen wie mit einem Mann? Kann ich mich Frauenhänden und Frauenlippen hingeben, die meinen Körper in Besitz nehmen? Kann ich einen Frauenkörper ertragen, der über mich kriecht wie eine heiße Schlange?
Sie befreite sich aus Ninas Umarmung und sagte kühl: »Ja, wir werden uns sehen. Wann du willst, wo du willst … und wie du willst.«
»Ich danke dir, Natalja Petrowna.« Nina zog sich zurück. Micharin kam angerannt. Das Wasser tropfte aus seinen Haaren.
»Wo bleiben Sie?« rief er. »Ich bin naß bis auf die Knochen.«
»Ich komme!«
Sie rannte los, warf sich in den Wagen und zog die Tür hinter sich zu. Sie sah noch, wie Kunzew mit einem Schirm an der Haustür erschien. Zu spät, Professor. Aber deine Abwesenheit hat mir einen neuen Weg eröffnet. Jetzt werde ich von drei Leuten das erfahren, was Sybin will. Er wird zufrieden sein.
Micharin fuhr langsam durch den strömenden Regen. Ab und zu blickte er Natalja an, aber er sprach kein Wort.
»Wohnen Sie auch im Hotel, Oberst Micharin?« fragte sie und legte wie zufällig ihre Hand auf seinen Schenkel.
Der Angriff hatte begonnen.
»Nein.« Micharin hielt den Wagen an. Er griff nach Nataljas Hand, hob sie hoch und küßte sie. »Ich habe eine Dienstwohnung.«
»Unter Bewachung?«
»Mich überwacht niemand.« Er umklammerte Nataljas Hand. »Jemand hat Ihnen Rosen geschenkt.«
»Das wissen Sie?«
»Ich weiß alles, was hier geschieht. Das besonders …«
Natalja atmete tief durch.
»Sie waren es, Oberst?!«
»Ja.«
Triumph! Triumph! Sie konnte sich die ganze Vorarbeit sparen. Natalja lehnte sich zurück. Ihr Rock rutschte hoch bis zu den Oberschenkeln.
»Warum, Oberst?« fragte sie. Die Überraschte spielte sie gut.
»Ich verehre Sie, Natalja Petrowna. Zum ersten Mal sah ich Sie auf der Straße, ich fuhr an Ihnen vorbei und hatte den verrückten Wunsch, auszusteigen und auf Sie zuzulaufen.«
»Und warum haben Sie es nicht getan?«
»Ich hatte nicht den Mut dazu.«
»Sie und keinen Mut. Gibt es das?«
»Dann trafen wir uns im Hotel beim Abendessen. Ich prostete Ihnen zu … Sie wandten sich brüsk ab.«
»Man kann mir nicht mit einem Glas Wein zuwinken. Zu dieser Sorte Frauen gehöre ich nicht. Ich lasse mich nicht durch Blicke erobern.«
»Auch nicht durch Rosensträuße! Was soll ich tun, Natalja Petrowna. Geben Sie mir einen Rat. Seien Sie gnädig …«
»Wenn Sie ein Mann mit einem starken Willen sind, werden Sie mich jetzt küssen.«
»Ein guter Rat!«
Micharin zog Natalja an sich und küßte sie. Es wurde ein wilder Kuß daraus, ein Umklammern, ein zitterndes Zueinanderdrängen. Und plötzlich saß Natalja auf Micharins Schoß.
»Ich möchte mit dir schlafen –« keuchte sie an seinem Ohr. »Sofort! Sofort! Bei diesem Regen sieht uns keiner.« Sie nestelte an seiner Hose, aber Micharin hielt ihre Hand fest.
»Nicht hier, nicht hier …«, seufzte er.
»Ins Hotel können wir nicht … alle werden uns sehen …« Sie suchte den Reißverschluß seiner Hose, zog ihn herunter. In ihrer tastenden Hand spürte sie seine Erregung, seine starke Männlichkeit. »Ich will mit dir schlafen!« schrie sie ihm ins Gesicht, und dabei dachte sie: Du bist wie alle Männer. Ich hasse dich! Nichts, nichts empfinde ich … meine Seele ist weit weg. »Zieh dich
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