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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aus!«
    »Nicht hier«, wiederholte Micharin. Es klang, als werde er gefoltert. »Fahren wir zu mir …«
    Er ließ den Motor an, sie rasten durch den strömenden Regen, bogen auf eine Betonstraße ab – und Natalja stockte fast das Herz.
    Ein großes Wachhaus, drei Schlagbäume, Stacheldraht rechts und links, Soldaten, die stramm standen und grüßten, ein riesiger Gebäudekomplex, von Halogenscheinwerfern taghell angestrahlt, klobige Schornsteine.
    Natalja lehnte den Kopf an Micharins Schulter und küßte seinen Hals.
    Danke, danke. Fast könnte ich dich jetzt lieben, Konstantin Petrowitsch Micharin.
    Ich bin im Herzen des Geheimnisses von Rußland!
    Ich habe alles, alles erreicht …
    Der nächste Morgen war für Micharin eine doppelte Qual.
    Zum einen hatte ihn die vergangene Nacht viel Kraft gekostet; in seinem ganzen, mit Frauen gesegneten Leben war ihm noch nie der Atem ausgegangen, wenn ein Vögelchen in seinen Armen gezwitschert hatte. Immer war es so gewesen, daß die Weibchen wie knochenlos auf dem Laken gelegen und zu ihm gesagt hatten: »Welch ein Bär du doch bist!«
    Jetzt war es völlig anders. Nataljas Ekstase hatte ihn dermaßen mitgerissen, daß er erst gegen Morgen in einen Schlaf versank, der schon eher wie eine Betäubung war. Und als er geweckt wurde, weil Natalja wieder auf ihm lag, unersättlich und ohne ein Zeichen der Müdigkeit, war es für ihn wirklich anstrengend, hinterher aufzustehen. Sein Kopf glühte, die Muskeln in seinen Beinen zuckten, und er spürte sein Herz, als drücke es jemand zusammen. Im Badezimmer stand Natalja frisch und munter unter der Dusche und sang ein fröhliches Lied von dem Mönch Pimen, der heimlich zu den Weibern schlich.
    Das andere, was ihm Sorge machte, war seine Pflichtvergessenheit. Daß er Natalja in das Forschungszentrum mitgenommen hatte, war ein Vergehen, das er nie hätte rechtfertigen können. Er hatte das Unmögliche wahr gemacht: Ein Fremder sah die geheimsten Anlagen der militärischen Atomforschung. Das lastete Micharin schwer auf der Seele, und es war auch keine Entschuldigung, daß ein Mann in bestimmten Situationen nicht mehr mit dem Gehirn denkt, sondern mit dem Unterleib.
    Man muß es offiziell machen, flüchtete sich Micharin in die Lüge. Natalja stelle ich vor als eine Abgeordnete einer Kommission, die die Werke inspiziert. Eine hohe Genossin aus Moskau, eine bekannte Physikerin, eine Gelehrte. Nur so könnte er ihre Anwesenheit erklären, und man wird es glauben, denn ab und zu kamen wirklich Kommissionen, um dieses Musterwerk zu besichtigen. Und immer hatte Micharin sie begleitet.
    Natalja sah in diesen Tagen mehr, als sie jemals erwartet hatte. Micharin und Professor Kunzew, der stolz war, ihr ›sein‹ Forschungszentrum zu zeigen, führten sie herum. Sie sah die Labors und die Versuchsabteilungen hinter den wandhohen Glasscheiben, sie zog den Strahlenschutzanzug an und den luftdicht schließenden Helm mit dem breiten gläsernen Gesichtsfeld und betrat das Allerheiligste, den Atomreaktor, in dem aus den Uranbrennstäben das Plutonium gewonnen wurde, und Micharin und Kunzew übertrafen sich dabei, ihr alles zu erklären. Der Oberst war sogar so gesprächig, daß er Natalja ins Vertrauen zog … was kann eine Frau wie sie schon damit anfangen, eine Frau, die nur aus Sex besteht.
    »Du wirst es nicht glauben«, sagte er voller Nationalstolz, »aber es ist wahr: Wir haben hier so viel Plutonium und Lithium gelagert, daß wir mit einem Schlag die ganze Welt in die Luft sprengen könnten. Und da kommt so ein Rindvieh wie Jelzin und will die Atomproduktion auf ein Mindestmaß zurücknehmen. Dabei sind wir bereits jetzt die stärkste Macht unter allen Staaten. Aber diese kriecherische Politik wird Folgen haben! Jelzin wird es noch spüren! Noch gibt es mutige Männer, die ihn wegjagen werden. Und dann soll die Welt zittern …«
    In diesen Tagen erfuhr Natalja alles, was Sybin wissen wollte. Mit Kunzew schlief sie nicht, denn sie hatte Mitleid mit ihm. Wenn er, was alle befürchteten, entlassen werden sollte, wenn er sein Paradeinstitut abgeben mußte, stand der alte Mann vor dem Nichts. Daran zerbrach er bereits jetzt. Und an einem Nachmittag erzählte er Natalja auch von Micharins Plänen, mit Plutoniumschmuggel das ganz große Geld zu verdienen. Es war wie eine Beichte, und Natalja sagte zu ihm:
    »Tu es, Iwan Semjonowitsch. Tu es. Nimm Rache an den Undankbaren. Hab keine Skrupel mehr, wo alles nur von der Korruption lebt. Wenn du

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