Tödlicher Staub
dreitausend Soldaten froh, wenn man sie bei der Patrouille nicht stört. Wen wollen sie festhalten? Ihre eigenen Offiziere? Das sind die größten Gauner. Sie transportieren auf Lastwagen die riesigen, im Durchmesser drei Meter großen Metallröhren, die einmal der Mantel der SS-18-Raketen waren, ungehindert ins Freie, um sie als Garagen zu verkaufen. Und auf den Schrottplätzen liegt alles herum, was man zu Geld machen kann: Silber, Gold, Platin und Buntmetalle aller Art. Damit überleben sie, denn auch sie erhalten nur unregelmäßig ihren Sold, manchmal drei Monate lang keine Kopeke! So sieht es bei uns aus. Der Transport ist keine Frage mehr … nur wie man an das Plutonium herankommt. Ich kann es nicht von der Waage einfach wegnehmen und zur Seite stellen. Und das, Igor Germanowitsch, muß bezahlt werden.« Wawra atmete tief durch. »Sehen Sie das ein, Igor Germanowitsch?«
Sybin war über diese Enthüllungen einer sterbenden Atomstadt so betroffen, daß er zunächst keine Worte fand. Aber ganz klar sah er die einmalig günstige Situation: Wenn jemand Plutonium 239 in großen Mengen beschaffen konnte, dann war es Wawra Iwanowna, dann war es Krasnojarsk-26, das größte Plutoniumlager Rußlands. War das dreizehn Millionen Dollar pro Kilogramm wert?
Ja – das war es! Das Satansweib hatte gewonnen, Sybin mußte es zugeben, auch wenn es an seinem Stolz nagte.
»Geben Sie mir Ihre Hand, Wawra Iwanowna«, sagte er und erhob sich. Suchanow starrte ihn ungläubig an. Er erwürgt sie nicht – er reicht ihr die Hand. Er macht uns zu Dollarmillionären! Das ist, wie wenn ein Märchen Wahrheit wird. Sybin, ich möchte Ihre Schuhspitzen küssen wie früher die Kulaken die ihres Gutsherrn.
Auch Wawra erhob sich und streckte Sybin ihre Hand hin. Sie griffen fest zu und sahen sich tief in die Augen.
»Ich freue mich!« sagte Sybin schweren Herzens. »Wann können Sie liefern?«
»Das weiß ich nicht.«
Sybin zog sofort seine Hand zurück. »Ein Vertrag muß erfüllt werden! Meine Kunden warten!«
»Ein technisches Problem ist es, Igor Germanowitsch.« Wawra setzte sich wieder. »Die Herstellung des Plutonium 239, so rein, wie Sie es wollen … das braucht seine Zeit. In dem Reaktor wird das Uran zwei Monate lang einer ›Bebrütung‹ ausgesetzt, bis es sich zersetzt und Plutonium abfällt. Das ist die erste Stufe. Nach der Abspaltung – Plutonium ist ja ein Abfallprodukt – muß das unreine Gemisch ein halbes Jahr abstehen, um dann in komplizierten radiochemischen Verfahren getrennt und gereinigt zu werden. Dann erst haben wir das reine Plutonium 239 gewonnen, das man für Atombomben braucht. Es wird als mehlfeines Pulver, als Staub, abgefüllt und eingelagert; erst dann kommt es zu mir, um gewogen und in kleinen Stahlbehältern abgefüllt zu werden, und dann verschwindet es in dem zweihundert Meter tiefen Erdlager.«
»Das heißt, Sie können beim Wiegen nur grammweise Plutoniumpulver abzweigen. An die Vorräte im Bunker kommen Sie nicht heran? Wawra … ich brauche keine Teebeutelchen, sondern Kilogramm!«
»Die bekommen Sie in so kurzer Zeit in keiner Reaktorstadt. Ich bin – so glaube ich – die einzige, die Ihnen größere Mengen liefern kann, weil unser Betrieb so viele Löcher hat wie ein Hartkäse.« Wawra blickte Suchanow an. Der beeilte sich, ihr noch ein Gläschen Goldener Ring einzuschenken. Sie trank das Glas in einem Zug aus. Kein Russe trinkt Wodka in kleinen Schlückchen – an den Mund, hopp und ex, so schmeckt das Wässerchen am besten. Da freut sich der Magen, und die Hirnnerven beginnen zu tanzen.
»Kennen Sie die Atomfabrik und das Forschungszentrum Arsamas? Auch dort ist eine Atomwaffenzentrale.«
»Arsamas steht auf meiner Liste.« Sybin nickte. »Es liegt in der Nähe von Nowgorod.«
»Wir tauschen ab und zu Erfahrungen aus. Arsamas ist besonders durch die Atomwaffenverträge gefährdet. Das hat dazu geführt, daß einige hochqualifizierte Kernforscher ausländischen Verlockungen erlegen sind. Flup … weg waren sie, verstreut in alle Welt, auch in den Iran. In Arsamas könnten Sie auch Erfolg haben. Dort herrscht Weltuntergangsstimmung. Und wenn Sie nach Tomsk kommen oder nach Surowaticha, nach Sewmasch oder Sewerodwinsk, Sneschinsk oder Belojarsk … überall können Sie Plutonium auftreiben, aber nur grammweise, nie ein Kilo auf einmal. Doch wenn Sie alle Mengen miteinander mischen, könnten Sie einige Kilo zusammenbekommen.« Wawra hob den Kopf. »Wobei zu sagen ist: Das beste und
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