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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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reinste Plutonium gibt es nur in Krasnojarsk-26.«
    »Das glaube ich Ihnen sogar, Wawra Iwanowna. Ich werde mich darum kümmern.« Sybin schwieg. Zwei Kellner rollten einen großen Serviertisch in die Suite und begannen, den Tisch zu decken. Die Schtschisuppe dampfte in einer Terrine aus wertvollem Porzellan. Eine köstlich duftende Kreation des Chefkochs aus Kohl, Tomaten, Zwiebeln, Kartoffeln, Sellerie, Petersilie und starker Rinderbrühe. Es gibt keinen Russen, der diese Gemüsesuppe nicht in sein vaterländisches Herz geschlossen hat.
    Es wurde ein opulentes Abendessen, zu dem Sybin einen Zinandali – einen georgischen Wein – servieren ließ und zum Abschluß Sowjetskoje Schampanskoje sucheje – den berühmten trockenen russischen Sekt – spendierte. Als Nachtisch entschied er sich für die süßen Blinschtschiki, garniert mit gemischtem Fruchteis. Kenner behaupten, das russische Eis sei das beste der Welt.
    Sehr spät verließen Wawra und Nikita die Suite. Die Jublonskaja mußte ihren Suchanow unter den Arm nehmen und fast tragen; er lallte, hatte den Goldenen Ring zu drei Vierteln allein getrunken und glotzte Sybin dämlich an.
    »Igor Germanowitsch«, lallte er mit ungelenker Zunge, »das vergesse ich dir nie! Du bist der beste Chef unter der Sonne … Schlafe ohne Träume …«
    Sybin schloß hinter ihnen die Tür ab und trank den Rest des Sektes. Er hatte mit Schwierigkeiten gerechnet, aber daß es so schwierig wurde, vier bis fünf Kilogramm reines Plutonium zusammenzukratzen, hatte er nicht erwartet. Es muß sich alles erst einspielen, dachte er. Kein Baum schießt wie ein Pilz aus dem Boden, aber wenn er seinen Stamm gebildet hat, wirft ihn kein Steppenwind mehr um. Und außerdem arbeitet die Zeit für uns … die Situation wird nicht besser werden, sondern nur noch schlechter. Und je miserabler es Rußlands Wirtschaft geht, um so sicherer ist unser Geschäft. Man muß nur die richtige Nase haben, um Gold zu riechen.
    Ich habe diese Nase!
    Drei Tage blieb Sybin in Krasnojarsk, nahm eine Probe von fünf Gramm Plutoniumpulver mit, die Wawra ins Hotel brachte, in einem der kleinen Stahlgefäße, in die sie das Plutonium abfüllte und wog.
    Sybin fuhr noch zwei Wochen herum, von Atomstadt zu Forschungszentren, von Sibirien bis Wladiwostok, von Murmansk bis Tomsk, wo er Oberst Micharin hatte liquidieren lassen. Von Tomsk aus schickte er über Natalja Petrowna auch wieder ein Lebenszeichen an Dr. Sendlinger in Berlin. Natalja rief Sendlinger in Berlin an.
    »Es kommt ein Kurier zu Ihnen«, sagte sie, ohne ihren Namen zu nennen. Aber Dr. Sendlinger erkannte sie sofort an der Stimme. »Er ist schon unterwegs. Er bringt Ihnen kleine Blumen für die Tante.«
    Kleine Blumen … das waren Proben von Plutonium, die Dr. Sendlinger seinen Kunden vorlegen wollte, um ihnen zu beweisen, daß er an den tödlichen Staub herankommen konnte. Sybin hatte es also endlich geschafft.
    »Eine gute Nachricht. Tante Ida wird sich freuen. Wann kommen die Blumen?«
    »Ich habe gesagt: Sie sind unterwegs.« Nataljas Stimme klang distanziert, geradezu unfreundlich. »Onkel läßt grüßen.«
    »Gruß zurück, wenn Sie ihn sprechen.« Dr. Sendlinger schloß die Augen und sah Natalja vor sich. Er unterdrückte ein Seufzen und bemühte sich, seiner Stimme einen geschäftlichen Klang zu geben. »Ich habe vor, in Kürze nach Moskau zu kommen.«
    »Warten Sie Onkels Nachricht ab. Ich werde nicht in Moskau sein.«
    »Natalja Petrowna, bitte …«
    Sie legte auf. Er widerte sie an. Ein winselnder Hund, der auf ihren Schoß hüpfen wollte. Selbst wenn Sybin ihr befahl, mit ihm zu schlafen … sie würde sich zum ersten Mal weigern. Sie hatte keine Erklärung dafür, aber sie ekelte sich vor ihm.
    Sie ging zu der aus Edelhölzern und Spiegeln gebauten Hausbar und goß sich einen armenischen Kognak ein. Der gallige Geschmack in ihrem Mund verflog. Immer öfter griff sie in letzter Zeit zur Flasche und fühlte sich hinterher freier.
    Natalja warf sich auf die mit indischem Damast bezogene Couch und hörte der Musik zu: Borodin, Steppenskizze aus Mittelasien. Die unendliche Weite, das Vorbeiziehen der Kamelkarawane, der warme Wind, der die weißen Wolkengebilde unter dem grenzenlosen Himmel dahintreibt … welche Sehnsucht in der Musik.
    Einmal so frei sein wie diese Wolken, dachte sie. Einmal so glücklich in das Blau schweben wie ein Adler. Einmal ohne Fesseln über die Erde galoppieren wie eine Herde Wildpferde. Wie herrlich könnte das sein

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