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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Blick war kalt und unpersönlich. »Ich bin bereit, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Der Staat hat uns im Stich gelassen. Seit Monaten bekommen wir kein Gehalt, nicht mal eine Teilzahlung. Kann man ohne Geld leben? Da werden einem die Kartoffeln im Garten wichtiger als jeder Reaktor. Immer verspricht man uns, es würde besser werden, aber es bleibt bei den Worten! Jetzt will man sogar zwei Reaktoren stillegen … und was wird dann aus uns? Darüber spricht niemand, weil keiner weiß, wie man uns weiterbeschäftigen kann. Wir qualifizierten Arbeiter werden zum Abfall Rußlands gehören. Nicht nur bei uns ist das so … in allen Atomstädten und Forschungszentren geht das Gespenst der Armut um.«
    »Ich weiß das«, sagte Sybin geduldig. Überall die gleichen Klagen … Rußlands Abrüstung war eine der Ursachen des inneren Zusammenbruchs. Wen wundert es, daß sie die Mutter der Kriminalität geworden ist? Wenn der Staat versagt, hat die Illegalität Hochsaison. Wawra legte ihre Hände auf den Tisch. Schöne, langgliedrige Hände, nur die vereinzelten weißen Flecken auf der Haut störten Sybin. Zeichen einer Verstrahlung? Er wußte es nicht. »Was schlagen Sie vor?«
    »Ich liefere Ihnen Plutonium. Meine Bedingung: Beteiligung am Gewinn.«
    O du Satansweib! So also ist das … du willst Partnerin werden! Du bist nicht zufrieden mit einem zugegeben dicken Handgeld, du willst in den Deal einsteigen. Nikita, das ist kein zärtliches Weibchen, das ist ein gieriges Raubtier.
    »Wie stellen Sie sich das vor, Wawra Iwanowna?« fragte Sybin ruhig. Sie kann liefern, also sei freundlich zu ihr. Verärgere sie nicht, man trübt keine Quelle, aus der man trinken will.
    »Wir entwerfen einen Vertrag, Igor Germanowitsch.«
    »Nichts Schriftliches, auf gar keinen Fall. Das wäre wie eine Selbstanzeige.«
    »Ein Vertrag per Handschlag, und Nikita ist Zeuge. Wie bei den sibirischen Bauern, wenn sie Pferde kaufen.«
    »Und was soll der Vertrag beinhalten?«
    »Sie beteiligen Nikita und mich mit zwanzig Prozent am Gewinn.«
    »Ich habe damit nichts zu tun!« rief Suchanow sofort und hob die Arme verzweifelt in die Höhe.
    »Halt den Mund, Liebster!« Wawra blickte Sybin kampfbereit an. »Nikita ist ein so gütiger, zurückhaltender Mensch. Zwanzig Prozent, Igor Germanowitsch …«
    Sybin rechnete im Kopf schnell nach. Pro Kilogramm fünfundsechzig Millionen Dollar, davon zwanzig Prozent, das sind ungeheure dreizehn Millionen Dollar für Wawra. Wahnsinn! Mit fünfhunderttausend Dollar hat sich Timski in Tscheljabinsk zufriedengegeben, und dieses Satansweib verlangt das Dreiundzwanzigfache!
    »Das ist unrealistisch, Wawra Iwanowna!« sagte Sybin mit knirschenden Zähnen. »Das ist nicht drin.«
    »Ich nenne keine Zahlen, ich nenne Prozente. Wieviel Sie auch verdienen, achtzig Prozent gehören immer Ihnen! Ich beteilige mich an dem Risiko. Und – das ist die Grundlage – ich beschaffe Ihnen das Plutonium. Das kann man nicht aus einem Sack abfüllen wie Mehl. Das schwierigste ist, an das unterirdische Lager heranzukommen. Den Verlust wird man kaum merken, denn die Wiegekontrolle ist ja meine Arbeit, und ich schreibe falsche Mengen in das Berichtsbuch. Es ist ganz einfach: Wir wiegen das hochreine Plutonium 239 nicht auf einer elektronischen Präzisionswaage, sondern auf einer normalen Lebensmittelwaage … Modell 1966 mit Bleigewichten …«
    »Das gibt es doch nicht!« rief Sybin überwältigt. Plutonium auf einer einfachen Waage wie in einem Dorfladen! Undenkbar. Das übertrifft die Horrorvisionen eines jeden Phantasten!
    »Bei uns schon.« Wawras Gesicht blieb unbewegt. »Es gibt noch mehr solcher Unmöglichkeiten in Krasnojarsk-26. Zum Beispiel der Transport hinaus … das geringste Problem. Wer das Gelände betreten will, muß einen Passierschein vorzeigen. Dreimal wird er vom Militär kontrolliert, es gibt drei Sperrkreise. Aber wer hinaus will, hat es einfacher. Niemand verlangt einen Passierschein, keiner untersucht die Taschen, man kann mit einem Rucksack das Gelände verlassen, niemand fragt danach. Und die Lastwagen und Autos werden an den Kontrollstellen einfach durchgewinkt wie an der Grenze von Rußland nach Kasachstan. Keinen interessiert, was in den Lastwagen transportiert wird.«
    »Dann ist die Abriegelung der Stadt ja ein Witz!« rief Sybin fassungslos.
    »Es stimmt. Die ›geschlossene Stadt‹ zerfällt. Früher war das anders, da war die Atomreaktorstadt eine Festung, ein uneinnehmbarer Kreml … heute sind die

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