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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Germanowitsch!« Suchanow hob beschwörend beide Hände. »Kennen Sie nicht das russische Sprichwort: Hundert Kilometer sind keine Entfernung, hundert Jahre kein Alter und hundert Gramm kein Wodka! Ich liebe Sprichwörter.« Er griff nach den Papieren und zog sie näher zu sich heran. »Fangen wir an. In der hermetisch abgesperrten Atomstadt Krasnojarsk-26 gibt es drei Atomreaktoren, gebaut im Jahre 1964. Also alte Kästen, aber voll funktionsfähig. Nach dem Atomsperrvertrag wollte man alle drei schließen, doch das geht nicht, weil sonst die gesamte Stromversorgung von Krasnojarsk zusammenbricht. Aber die Pläne bestehen noch: Einen Reaktor will man umbauen zu einer Fabrik für Melkmaschinen, den zweiten zu einer Fabrik für Videokassetten! Idiotischer geht es nicht! Es soll also nur noch ein Reaktor in Betrieb bleiben. Sie können sich denken, wie die Atomschtschiki sich fühlen: Als säßen sie selbst auf einer Bombe. Und der Verdienst? Die Zeitung Rossijkaja schrieb: ›Schon heute verdienen die Mitarbeiter der Atomindustrie weniger als die Wachleute in einer Ausnüchterungszelle.‹ Und die hat hier fast jeder Großbetrieb.«
    »Ich weiß, wie schlecht die Bezahlung ist. Das ist in allen Atomwerken und Labors so.«
    »Der Staat hat kein Geld. Es kommt vor, daß die Arbeiter von Krasnojarsk drei Monate auf ihren Lohn warten müssen. Um zu überleben, verkaufen sie alles, was sich verkaufen läßt.«
    »Das hört sich vielversprechend an, Nikita. Da können wir mit Dollarscheinen winken, und es gibt ein Wettrennen.«
    »Vorsicht, Igor Germanowitsch! Allein in dem abgesperrten Krasnojarsk arbeiten hunderttausend Menschen. Die eigentliche Plutoniumfabrik, wo das Rohplutonium in reines, waffenfähiges Plutonium 239 umgewandelt wird, liegt zweihundert Meter unter der Erde. Dort sind zehntausend Arbeiter und Wissenschaftler beschäftigt. Und hier lagern auch die Tonnen von Plutoniumpulver, so, wie man Zuckersäcke stapelt, zwar hinter dicken Stahltüren, die aber nicht bewacht sind. Wer nimmt schon den Tod mit nach Hause? Das ist die Lage.«
    »Und woher hast du diese Informationen?«
    »Das werden Sie sehen, wenn wir unseren – Kontaktmann treffen.« Nikita Victorowitsch grinste breit und trank wieder ein hohes Glas Wodka aus. »Ich habe mich für die Firma wirklich aufgeopfert. Das werden Sie mir bestätigen, Igor Germanowitsch.«
    »Wann treffen wir diesen Kontaktmann?«
    »Heute abend … auf Ihrem Zimmer, wenn das möglich ist.«
    »Einverstanden!« Sybin blickte Suchanow verwundert an. Er konnte sich dessen Fröhlichkeit nicht erklären. Zwei Gläser Wodka konnten eine solche Wirkung nicht erzeugen, auch bei einem Säufer nicht. »Weiß dein Kontaktmann, worum es geht?«
    »Ich habe es, ganz vorsichtig, im Bett angedeutet …«
    »Im …« Sybin zuckte zusammen. »Suchanow, hat dich der Wodka schwul gemacht?«
    »Sie werden es sehen, Igor Germanowitsch. Es war eine gute Wahl.«
    Suchanow raffte seine Papiere zusammen, steckte die Flasche Wodka in seine Jackentasche und verließ die Bar. Das Bezahlen überließ er Sybin.
    Bis zum Abend grübelte Sybin darüber nach, ob sich Suchanow wirklich mit einem Mann abgegeben hatte, um an einen Atombeschaffer heranzukommen. Ich tue alles für die Firma, hatte er gesagt … aber kann man zu so etwas fähig sein, nur um einen Kontakt herzustellen? Auf jeden Fall war Sybin höllisch gespannt auf den Mann, den ihm Suchanow am Abend präsentieren würde.
    Gegen neunzehn Uhr klopfte es an Sybins Tür. Sybin lief in die Diele der Suite und öffnete erwartungsvoll.
    Zunächst trat Suchanow ein. Er hielt eine volle Wodkaflasche hoch und zeigte sie seinem Chef.
    »Das ist ein Wässerchen!« rief er. »Ein Osobaja, ein besonderer. Und sehen Sie sich die Marke an: Solotoe Kolzo! Der Beste! Der Goldene Ring. So etwas haben Sie noch nie getrunken!« Und dann drehte er sich um und rief hinaus auf den Flur: »Komm herein, Liebling! Tritt näher, mein Schatz!«
    Sybin spürte einen Druck im Magen. Er nennt einen Mann Liebling und Schatz! Ich werde mich beherrschen müssen, wenn ich diesen Kerl sehe. Und Suchanow werde ich später auf den Kopf schlagen. Alles für die Firma …
    Und dann trat Liebling ins Zimmer …
    Sybin hielt den Atem an, und seine Augen weiteten sich.
    Herein kam eine junge, schlanke Frau mit langen schwarzen Haaren, nicht gerade hübsch, denn ihre Nase war etwas länger als normal, ihr Gesicht breitflächig und ihr Mund schmallippig, aber sie hatte, soweit man das

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