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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Knien vor Ihnen, Igor Germanowitsch.«
    »Sie wird uns immer wieder betrügen, Nikita Victorowitsch.«
    »Nein! Nein! Ich schwöre es Ihnen … nein!« Jetzt begann Suchanow zu weinen. Sybin hörte sein Schluchzen, aber Mitleid ist ein Wort, das es bei seinen Geschäften nicht gab. Mitleid ist Schwäche, und nur der Starke kommt voran. Mitleid frißt die Tatkraft – das war Sybins Lebensweisheit.
    »Garantiere nicht, was du nicht einhalten kannst!« sagte Sybin gnadenlos. »Was Wawra getan hat, kann man nicht wegwischen wie einen Fleck. Heule nicht, es rührt mich nicht. Tu es!«
    »Sie vernichten auch mein Leben, Igor Germanowitsch«, weinte Suchanow. Er hatte die Augen geschlossen, und die Tränen rannen über seine Wangen. »Ich war immer ein folgsamer, treuer Mensch, das wissen Sie. Geben Sie Wawra die Gelegenheit, alles wieder gutzumachen.«
    »Nein!« Sybin hatte es satt, weiter mit dem wimmernden Suchanow zu diskutieren. Disziplin ist das Fundament aller Arbeit. Ohne Disziplin ist der Mensch ein Stück Weltuntergang. »Ich erwarte morgen deinen Anruf, Nikita … und ich will nur hören: Es ist alles geklärt.«
    Sybin legte auf. In Krasnojarsk warf Suchanow den Hörer von sich, als verbrenne er seine Hand daran. Dann sank er in das Kissen zurück, vergrub das Gesicht in den Federn und heulte wie ein getretener Hund.
    Kurz nach acht Uhr betrat Wawra Iwanowna die Wohnung, zog sich aus, duschte sich und sprang nackt zu Suchanow ins Bett. Sie schmiegte sich an ihn und streichelte ihn mit hingebungsvoller Zärtlichkeit.
    »Schläfst du noch, mein Liebling?« flüsterte sie an seinem Ohr. »Wie warm du bist. Schlaf weiter …«
    Sie küßte seinen Hals und seine Schultern, legte ihren Kopf in seine Armbeuge und gab sich ganz dem wohligen Gefühl hin.
    Suchanow hätte schreien können. Geh, geh … lauf weg, ganz weit weg, verstecke dich, wo keiner dich findet … lauf … lauf … Aber er schlang den anderen Arm um sie, drückte sie an sich und atmete den Duft ihrer Haut ein.
    Er wollte etwas sagen, irgend etwas Zärtliches, doch dann sah er, daß sie bereits schlief.
    Ihr Gesicht sah glücklich aus, wie bei einem in den Schlaf gesungenen Kind …
    Es war ganz natürlich, daß Suchanow nicht weiterschlafen konnte. Erstens reizte ihn Wawras warmer, glatter, duftender Körper, und er mußte sich zur Beherrschung zwingen, und zweitens lähmte ihn das Wissen, daß noch an diesem Tag Wawra kalt und bleich vor ihm liegen würde, auf Sybins Befehl hin bestraft, mit der einzigen Konsequenz, die er kannte. Es gab keine Flucht mehr in die Ausrede, sie nicht gesehen zu haben, weil sie verreist sei, ganz plötzlich, ihre ältere Schwester sei schwer erkrankt, in Bratsk wohne sie, am großen Stausee der Angara, so etwas wie Krebs habe sie, es gehe ihr jedenfalls sehr schlecht, und Wawra sei sofort zu ihr geflogen … Sybin würde schallend lachen und dann eisig sagen: »Und wenn sie bis Kamtschatka geflogen ist … hole sie dir!«
    Es gab keinen Ausweg.
    Vorsichtig, damit Wawra nicht erwachte, glitt Suchanow aus dem Bett und zog sich an. Dann kam er leise zurück ins Schlafzimmer und betrachtete die im Schlaf tief atmende Wawra. Für ihn war sie die schönste Frau; die Stunden mit ihr waren ein Flug in den Himmel. Man könnte sie jetzt erstechen, dachte er. Auf dem Rücken lag sie, halb entblößt, mit freiem Oberkörper, es war ein Leichtes, ihr das Messer genau in das Herz zu stoßen. Sie würde nichts spüren, so schnell würde der Tod über sie kommen. Oder man könnte sie mit dem anderen Kissen ersticken … ein kurzer, verzweifelter Kampf würde es werden, ein Aufbäumen und Umsichschlagen, bis der Widerstand erschlaffte. Auch ein Erdrosseln war möglich … ihr Hals lag bloß, man brauchte nur mit beiden Daumen den Kehlkopf fest hinunterzudrücken und den Knorpel zu zerquetschen. Aber alles mußte er mit seinen Händen tun, mit diesen Händen, die Wawra gestreichelt hatten.
    Suchanow starrte auf seine Hände und legte sie dann hinter seinen Rücken. Nein! schrie er innerlich. Nein! Du kannst es nicht. Du kannst sie nicht mit deinen Händen umbringen. Du würdest deine Hände nie mehr ansehen können, du müßtest sie hinterher abhacken und auf den Müll werfen. Wawra, mein Seelchen, was soll ich tun?
    Er verließ das Schlafzimmer und wanderte im Wohnraum hin und her. Wie könnte sie sterben, ohne daß ich meine Hände benutze, fragte er sich immer wieder. Eine Kahnfahrt auf dem Jenissei, das Boot kippt um, und sie

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