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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auf. Der gewaltige innere Druck löste sich. »So ist es die beste Lösung.«
    Nach einer Stunde kam Wawra vom Einkauf zurück. Sie trug Tüten mit Gemüse und Milch, Gurken und Zwiebeln, Gewürzen und Wein und einen großen Laib Brot. Ohne Brot gibt es für einen Russen keine Mahlzeit. Brot und Salz … das sind die Symbole russischer Gastfreundschaft. Wer Brot und Salz mit ihnen teilt, ist ein Freund.
    An diesem Abend öffnete Suchanow eine Flasche Achmeta, einen armenischen Wein. Der letzte gemeinsame Wein, Wawra, mein Schatz. Ich trinke auf den Frieden deiner Seele. Wenn du an Gott glaubst – er nehme dich gnädig auf. Wir werden uns in der Ewigkeit nicht wiedersehen, denn mich wird die Hölle verschlingen.
    In dieser Nacht nahm er Abschied von ihr. Er liebte sie wie noch nie, mit einer Ausdauer, die die Verzweiflung ermöglichte. »Was ist mit dir los, du wilder Bär?« fragte Wawra einmal, als er wieder nach ihr griff und sie auf sich zog. »Du tötest mich noch …«
    Und er liebte und liebte und liebte sie und hätte heulen können wie ein verwundeter Wolf.
    Am nächsten Abend brachte Wawra Iwanowna in einem kleinen, runden, aufschraubbaren Bleibehälter das Plutonium mit. »Genau ein Gramm!« sagte sie und ließ den Behälter über den Tisch rollen, als wäre er eine Murmel. »Du kannst sie Sybin als Päckchen mit der Post schicken, es kann nichts passieren.«
    Natürlich nicht. Es ist ja Puderzucker! O Wawra, warum belügst du mich?
    Er ließ es sich nicht nehmen, den Tee selbst aufzubrühen. Er ließ das heiße Wasser aus dem Samowar in den Teesud fließen und tauchte die Spitze eines kleinen Küchenmessers in die aufgeschraubte Kugel. Zehn Zentimeter weit reicht die Strahlung, sie war keine Gefahr für ihn, aber im Körper eines Menschen zerfrißt sie die inneren Organe – wenn es wirklich Plutonium war. War es allerdings nur bestrahlter Puderzucker, konnten die vier Sekunden, die er zum Eintauchen der Messerspitze in den Tee benötigte, ihm auch nicht gefährlich werden.
    An der Messerspitze klebte eine silbrig schimmernde Schicht. Ein Hauch von Staub, aber er genügte, um Tausende von Menschen zu töten. Schnell tunkte Suchanow das Messer in die Teetasse, wusch es dann unter heißem Wasser sauber und trug den Tod hinüber zu Wawra in den Wohnraum.
    »Es ist kasachischer Karawanentee«, sagte er. »Geräuchert. Er schmeckt ein wenig bitter, aber er ist gesund …«
    »Ich kenne ihn.« Wawra griff zur Tasse. »In den Jurten der Nomaden wird er geröstet.«
    »Ich mag ihn.« Suchanows Kehle war wie zugeschnürt. »Er ist etwas Besonderes.«
    Er sah zu, wie Wawra die Tasse an die Lippen führte, verkrampfte seine Finger ineinander und zwang sich, nicht hinzuspringen und ihr die Tasse aus der Hand zu schlagen. Mit unerträglichen Schmerzen in seinem Herzen sah er zu, wie sie genußvoll den heißen Tee schlürfte und ihm mit ihren dunklen Augen zublinzelte.
    »Das ist ein gutes Getränk!« sagte sie, als sie die Tasse wieder absetzte. »Es gibt drei unersetzliche Dinge auf der Welt: die Liebe, das Bett und den Tee. Nimm Platz, Liebling, laß uns essen …«
    Suchanow bekam keinen Bissen hinunter. Immer wieder starrte er Wawra an. Aber wenn er geglaubt hatte, sie fiele gleich vom Stuhl, hatte er sich geirrt. Auch Plutoniumstaub in einem menschlichen Körper benötigt eine gewisse Zeit, die inneren Organe zu zerstören. Er ist kein Blitztöter … er schleicht durch Blut und Zellen. Das ist das Teuflische daran: das lautlose Sterben.
    Nach dem Abendessen war Wawra müde. Wie immer duschte sie sich und legte sich nackt ins Bett. Suchanow blieb im Wohnzimmer und biß sich in die Fäuste.
    »Kommst du, Schatz?« rief sie. Ihre Worte klangen heiter. »Ich kann nicht einschlafen ohne deine Nähe …«
    »Ich komme gleich.« Suchanow stellte den Fernseher an. »Nur noch die Nachrichten, Wawjuscha. Ein paar Minuten noch.«
    Suchanow war nie ein gläubiger Mensch gewesen, aber jetzt faltete er die Hände und betete gepreßt: »Gott, mein Gott, laß sie schnell sterben. Heute noch, heute! Ich flehe dich an …«
    Die Stimme des Nachrichtensprechers übertönte seine Worte. Suchanow sank in den Sessel zurück und schlug beide Hände vor das Gesicht …
    Aber am Morgen lebte Wawra noch immer.
    Sie hatte gut geschlafen, sogar ohne Träume.
    Und Suchanow verfluchte Gott …

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