Tödlicher Staub
Awjilah machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sie sind hysterisch! Überall sehen sie Bedrohungen. Dabei sind sie die größte Atommacht der Welt, größer als die Russen! Sie sagen, daß Sie viel wissen! Dann müssen Sie auch wissen, daß Israel auf dem besten Weg ist, eine Atommacht zu werden. Das ist für mein Land unerträglich. Wir sind bedroht, nicht die übrige Welt! Wir müssen uns wehren gegen Israel! Das ist die aktuelle Situation. Sie in Deutschland haben es gut. Sie sind umgeben von den Atommächten England, Frankreich und Amerika, die Sie schützen. Wer schützt uns? Von der einen Seite Israel, von der anderen Seite die Atommacht China, im Rücken der Atomgigant Rußland … und keiner hilft uns! Wenn das nicht dazu berechtigt, auch ein Atomstaat zu werden, verliere ich den Glauben an die Gerechtigkeit. Dies zu unseren Sorgen, und nun zu Ihnen, Dr. Sendlinger. Fünfundsechzig Millionen Dollar für ein Kilogramm Plutonium ist viel zu viel. Unrealistisch.«
»Ich habe Staaten auf meiner Liste, die das gerne zahlen.«
»Bitte, lassen Sie uns nicht pokern, das ist unwürdig. Wenn andere Staaten mehr bieten, warum sitzen wir dann zusammen? Der Preis regelt die Geschäfte. Nimmt Libyen Ihr Angebot an?«
»Libyen steht nicht zur Diskussion.« Dr. Sendlinger verschloß sich wie eine Auster. Mein lieber Awjilah, bei mir ist es sinnlos, auf den Busch zu klopfen. Du kannst jetzt alle in Frage kommenden Namen herunterbeten, ich gebe keine Kommentare ab. Und wen ich in den nächsten Tagen in Wien treffen werde, wirst du auch nicht erfahren. Es gibt zwischen uns nur eines: ja oder nein.
Awjilah schien Sendlingers Gedanken zu erraten. Er zeigte auf das Päckchen zwischen ihnen.
»Betrachten Sie es nicht als Mißtrauen«, sagte er in aller Höflichkeit. »Aber bevor wir in konkrete Verhandlungen eintreten, möchten wir erst die Probe analysieren lassen.«
»Das ist selbstverständlich.«
»Wir sind zu oft von anderen Anbietern enttäuscht worden. Minderwertige Stoffe, keine waffenfähigen Mischungen.«
»Bestrahlter Puderzucker …«
»Das haben wir noch nicht gehabt.« Awjilah blickte Sendlinger verwundert an. »Gibt es das?«
»Es sollte auf den Markt kommen, aber wir haben es verhindert. Wenn wir liefern, dann nur allerbeste Ware. Dafür garantieren wir.«
»Das haben wir von Ihnen auch erwartet.«
»Und deshalb der durchaus angemessene Preis.«
»Darüber wird noch zu sprechen sein.« Awjilah lächelte. Für ihn war diese Verhandlung abgeschlossen, bis aus Teheran grünes Licht gemeldet wurde. »Kennen Sie schon Madame Louise de Marchandais?«
»Nein. Muß man sie kennen?«
»In ihrem ›Roten Salon‹ trifft sich tout Paris, alles, was Rang und Namen hat. Von der Großindustrie bis zur Regierung. Machtmenschen und Minister, Künstler und Diplomaten. Eine ausgewählte Gesellschaft aus Intellekt und Kommerz. Im ›Roten Salon‹ sind alle Brüder und Schwestern. Sie sollten mal hingehen, Doktor.«
»Recht gern. Und wie komme ich in diesen illustren Kreis hinein?«
»Ich lade Sie ein.«
»Das ist fast wie ein Geschenk.«
»Sagen wir – übermorgen abend?«
»Mit Freuden angenommen.«
»Sie werden nicht enttäuscht sein.«
Eine Stunde nach Awjilahs Besuch empfing Dr. Sendlinger einen Abgesandten eines afrikanischen Staates, dessen diktatorischer Präsident davon träumte, mittels einer Atombombe im Konzert der Großen mitspielen zu können. Jetzt ließ Sendlinger eine Flasche Wodka kommen; er wußte, daß Bahuba Ngolala außer blonden Frauen auch Wodka liebte.
Die Unterredung war kurz. Sendlinger legte die Probe auf den Tisch, nannte den Preis und prostete Ngolala zu. Der Afrikaner trank zwei Gläschen hintereinander und sagte dann auf Englisch:
»Wir sind daran interessiert, Sir. Nur der Preis …«
»Kein Feilschen, bitte.« Sendlinger hob die Hand. »Der Preis war vorher bekannt.«
»Wir sind kein reiches Land … noch nicht.« Ngolalas dunkles Gesicht verzog sich zu einem verlegenen Grinsen. »Wann können Sie liefern?«
»Sofort, wenn Ihr Präsident es will.«
»Das könnte noch ein paar Monate dauern.«
»Warum?«
»Wir erwarten Zahlungen von verschiedenen Ländern, die uns eine Beihilfe zum Aufbau unserer Wirtschaft versprochen haben. Auch Ihr Land – Deutschland – wird uns Entwicklungshilfe zahlen. Aus diesem Fonds könnten wir dann diesen Betrag abzweigen. Mehr als das Plutonium allerdings interessiert uns eine Lieferung von Atomsprengköpfen, die voll funktionsfähig sind.
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