Toedlicher Staub
Militärgeheimnis unter Verschluss gehalten und der Forschung nicht zugänglich gemacht.«
»Und warum?«
»Kein Militär der Welt will auf diese Art Munition verzichten, also müssen sie die Wahrheit verschleiern und die zivile Forschung ausbremsen«, sagte sie tonlos.
»Aber die Soldaten dieser Armeen sterben doch auch!«
Nina lächelte schwach. »An dieser Stelle Auftritt von Dottoressa Maria Antonietta Tola, genannt Nina, die mit ihrer Arbeit zur Entwicklung von Aufsehen erregenden Heilmitteln und Zaubertränken beitragen soll.«
Nazzari lächelte zurück, aber nur, weil er nett sein wollte. Langsam dämmerte ihm, dass dieses Material ihm dabei behilflich sein könnte, einer Zukunft als Nutte von Bullen und verschiedenen Geheimdiensten zu entgehen.
»Ich kann dich nach Hause bringen«, schlug er vor. Er wollte weiter mit ihr zusammen sein.
»Ich hätte mich nicht getraut, dich darum zu bitten.« Sie goss sich noch einen Kaffee ein.
Sie fühlte sich jetzt etwas besser, weil sie hatte reden können, obwohl sie sich gern noch weiter erleichtert hätte, denn was sie besonders quälte, war der Umstand, dass Diebe mit dem PC nicht nur ihre eigene Arbeit in die Finger bekommen hatten, sondern auch die ihrer besten Freundinnen aus den Jahren an der Uni in Löwen, deren Foto sie als Bildschirmschoner benutzte. Im Hinblick auf ihre mögliche Rückkehr ins Team und aus Freundschaft hatte Kate, eine sympathische kleine, mollige Irin, ihr regelmäßig die neuesten Ergebnisse ihrer Studien zur pathogenen Wirkung von Nanopartikeln zugeschickt. Ein Leichtsinn, der sie jetzt alle teuer zu stehen kommen konnte.
Eigentlich hatten sie verabredet, dass Nina diese Dateien sofort nach der Lektüre löschte. Im Vertrauen auf die Alarmanlage und die Panzertür hatte sie das aber nie getan. Vor allem hatte sie gedacht, sie würde nicht auffallen. Eine im sardischen Nuoro geborene Tierärztin, die in Sassari studiert und in Belgien geforscht hatte, sollte doch ein Jahr lang durch die Schafherden spazieren und deformierte Lämmer kaufen können, ohne dass jemand auf dumme Gedanken käme. Ihr Arbeitgeber hatte sie zur Vorsicht gemahnt, man hatte sie ausgesucht, weil sie Sardin war, und sie hatte sich unverantwortlich verhalten. Erst jetzt erinnerte sie sich, dass auf Sardinien nichts unbemerkt bleibt. Alle anderen Hirten der Gegend hatten erfahren, dass sie regelmäßig den Schafspferch des alten Balloi besuchte, und so musste das Gerücht jemandem zu Ohren gekommen sein, der ihr erst nachspioniert und sie dann bestohlen hatte.
Nina fühlte sich allein, verloren. Es gab keine Alternative zum Stillschweigen, sowohl Kate als auch der Firma gegenüber. Die Chefs würden ein paar Sicherheitsexperten schicken, um die Schäden festzustellen, und dann wäre ihr jegliche Forschungsarbeit versperrt, öffentliche wie private. Bliebe lediglich der eigentliche Beruf als Tierärztin, doch glaubte sie nicht, dass sie mit siebenunddreißig noch all die im Labor verbrachte Zeit würde aufholen können. Sie sah Pierre an. Ein weitgehend Unbekannter war die einzige Stütze, die sie im Moment hatte. Sie fühlte sich umso einsamer.
Pierre brachte Nina zu ihrem Geländewagen, dann fuhr er ihr bis zu ihrem Haus in Villaputzu hinterher. Dort tat er so, als sei er noch nie hier gewesen, und wartete im Wohnzimmer, während sie sich umzog. Sie erschien in Jeans und Hemd.
»Schon mal in einem Schafspferch gewesen?«, fragte sie.
Der alte Balloi war nicht da, ebenso wenig wie die Hunde und Schafe. Sie mussten irgendwo in der Nähe sein, aber Nina wusste, der Hirte würde sich nicht blicken lassen. Sie nahm die Tasche und ging zu dem kleinsten, etwas abseits gelegenen Pferch. Pierre schaute sich ein wenig um, bevor er ihr folgte. Vier halbwüchsige Lämmer mit rasiertem Rücken fielen ihm ins Auge. Alle wiesen auf der linken Körperseite wulstige Narben auf, das Gewebe darunter war geschwollen.
»Was für eine Krankheit haben sie?«
»Keine«, antwortete die Tierärztin, während sie eines davon untersuchte. »Das sind die Opfer meiner Experimente.«
»Soll das heißen, du hast sie so zugerichtet?«
»Ich kann ganz gut mit dem Skalpell umgehen.«
»Sieht aber nicht so aus«, meinte Pierre. »Mit diesen Beulen da …«
»Das sind Granatsplitter«, erklärte sie lachend. »Ich habe sie im Sperrgebiet gesammelt und ihnen unter die Haut gepflanzt.«
»Warum das denn?«
»Um an Schafen zu zeigen, was bei Nagetieren bereits bewiesen wurde, nämlich dass
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