Toedlicher Staub
die Metall- und Plastikstücke vom Gewebe eingehüllt werden und keine Krankheiten verursachen.« Sie streichelte die rechte Seite eines der Tiere. »Das Problem sitzt hier, wo ich die Nanopartikel eingeimpft habe.«
»Da bildet sich Krebs?«
»Rhabdomyosarkom«, murmelte sie. »Bösartige Weichteiltumore. Insgesamt waren es sechs Schafe. Zwei sind schon tot. Der Tumor hat sich immer rechts entwickelt.«
Auf dem Rückweg nach Villaputzu hielten sie an und tranken ein Bier in einem winzigen Dorf, dessen Häuser aus dem Nichts um die Bar herum aufgetaucht zu sein schienen. Als wohlbekannter Gast brauchte Nina dem Mann hinterm Tresen nicht erst zu sagen, was sie wollte. Die übrigen Gäste, ausschließlich Männer, begrüßten sie respektvoll.
»Hirten«, flüsterte die Tierärztin. »Im Lauf der letzten Monate hab ich bei sämtlichen Herden die Runde gemacht.«
»Ein hartes Leben haben die«, meinte Pierre.
»Das sie gegen nichts eintauschen würden. Trotzdem fürchte ich, in zehn Jahren sind hier in der Gegend nicht mehr viele von ihnen übrig.«
»Wie kommst du darauf?«
»Weil mit Nanopartikel verseuchtes Gelände nicht sanierbar ist. Das Sperrgebiet entwickelt sich zu einer riesigen Müllhalde«, antwortete sie. »Ab dem Moment, wo das allgemein bekannt wird, kauft kein Mensch mehr die Erzeugnisse der Gegend. Schon heute sind dreißig Prozent derer, die am Quirra-Syndrom erkranken, Hirten, also Leute, die ein absolut gesundes Leben an der frischen Luft führen. Es ist vollkommen ungewöhnlich, dass so viele Leukämie bekommen, auch noch in fortgeschrittenem Alter.«
Auf Pierres Nachfrage erklärte sie, dass dieses Syndrom eben nach dem Sperrgebiet benannt war. Es umfasste Lymphome, genetische Missbildungen und verschiedene Tumorformen, genau dieselben wie bei den Soldaten, die am Golf oder auf dem Balkan eingesetzt worden waren.
»Auf Sardinien war doch kein Krieg«, wandte Pierre ein.
»Einerseits nein. Andererseits ist es fast schlimmer. Hier kann jeder, egal wer, neue Waffenformen erproben, und kein Mensch kümmert sich darum, welche Substanzen dabei freigesetzt werden. Darüber hinaus wird ständig Munition durch Zündung kontrolliert vernichtet, und zivile Luft- und Raumfahrtgesellschaften tragen ihrerseits zur Verschmutzung bei, indem sie stundenlang Motoren laufen lassen, um Festtreibstoffe zu testen, die Blei enthalten.«
»Gut informiert bist du.«
»Ich weiß auch nur, was in den Zeitungen steht. Aber eines weiß ich mit Sicherheit: Das Gebiet ist mit Legierungen verseucht, die zugleich Silizium, Sauerstoff, Eisen, Blei, Titan und Chrom enthalten, oder auch Blei, Eisen und Kupfer; Mischungen, die es in der Natur nicht gibt und die krankmachen und töten können. Wegen ihnen kommen missgebildete Babys und Tierkinder zur Welt.«
»Was sagen die Militärs dazu?«
»Die lügen, was das Zeug hält, berufen sich auf Militärgeheimnisse und nationale Sicherheit und leugnen jeden noch so eindeutigen Beweis. Und sie finden immer jemanden, der ihre Lügen stützt.«
Nazzari stieß sich an dem empörten Tonfall. »In gewisser Weise arbeitest du doch auch für die.«
»Da hast du recht«, gab sie zu. »Aber wenigstens schütze ich die Gesundheit der Soldaten. Zumindest versuche ich es.« Sie trank den letzten Schluck Bier. »Auf der Uni und in der Firma hatte ich einen ganz anderen Blick auf das Problem. Wenn du im Labor stehst, ist alles unpersönlich und rational, denn so muss es sein, nur wenn du dann an einem derart schönen Ort bist und bestimmte Dinge erkennst, ändert das alles. Dieser Landstrich wird das Sperrgebiet nicht überleben. Die Leute werden irgendwann weggehen müssen, und am Ende bleiben nur noch die Soldaten mit ihren tollen Masken auf dem Gesicht.«
Die gesamte Rückfahrt über schwieg Nina. Ihr war nur zu bewusst, dass die wissenschaftliche Forschung einem Wettrennen glich, und seit einiger Zeit war sie von dem Verdacht befallen, auf das falsche Pferd gesetzt zu haben. Vielleicht ließen sich auf dem Gebiet des Schutzes gegen Nanopartikel überhaupt keine Fortschritte erzielen. Jedenfalls deuteten Kates Dateien auf diese traurige Wahrheit hin. Die ersten Zweifel waren Nina nach einer Analyse der Daten nach dem Attentat vom 11. September 2001 gekommen. Die Hunde, mit denen man in den Trümmern nach den Opfern gesucht hatte, waren bald darauf erkrankt. Schließlich die Helfer. Trockener Husten, Durchfall, Fieber. Danach erwartungsgemäß chronisches Erschöpfungssyndrom. Bei den
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