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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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auf der Terrasse.
    »So schlimm wäre es schon nicht geworden«, antwortete Georg, obwohl er anderer Meinung war. »Nach der zweiten Warnung wird die dritte nicht auf sich warten lassen.« Wozu jedoch sollte er der Witwe Angst machen? Sie war vom Tod ihres Mannes schon hart genug getroffen. Zum Schmerz kam der Zweifel, ob er ins Wasser gestürzt war oder sich das Leben hatte nehmen wollen. Dieses Gerücht geisterte herum, angeblich steckte die »Goldene Gans« in großen finanziellen Schwierigkeiten. Klaus hatte davon berichtet. Wer das Gerücht in die Welt gesetzt hatte, wusste allerdings niemand.
    »Was wollen diese Leute?« Die kleine hagere Frau saß zusammengekrümmt am Tisch »Unseren Betrieb ruinieren, mich fertigmachen? Wozu?«
    »Die Frage können nur Sie oder Ihr Sohn beantworten«, meinte Georg, der von ihr eine Antwort auf diese Frage erwartete. »Mir als Außenstehendem fehlen Anhaltspunkte. Ich werde mir kein Urteil anmaßen. Ihr Sohn Patrick sprach davon, dass Ihr Verhältnis oder besser das Ihres verstorbenen Mannes zu Ihrem Schwager«, er deutete mit dem Kopfin Richtung Campingplatz, »nicht das beste gewesen sein soll. Daher könnte …«
    »Niemals!«, unterbrach ihn Frau Albers heftig. »Meine Schwester würde niemals etwas gegen mich und die Kinder unternehmen.«
    »Ich meine auch nicht Ihre Schwester«, entgegnete Georg vorsichtig, er hatte mit seiner Überlegung anscheinend eine offene Wunde berührt. »Ich meine Ihren … Schwager.«
    »Tille? – Niemals!« Sie schüttelte heftig den Kopf. Die Pause zwischen dem Namen und der kategorischen Verneinung war zu lang. Auch wenn die Segel in Fetzen hingen, auch wenn das Schiff bereits gestrandet war, wurde die Familienehre hochgehalten. Nur war er nicht berufen, das zu kritisieren.
    »Meine Schwester würde es nie zulassen, dass Tille …« Frau Albers fuhr mit den Händen in der Luft herum, als wolle sie etwas greifen.
    Ob es sich so verhielt, entzog sich Georgs Kenntnis. So, wie er die Schwester auf dem Campingplatz erlebt hatte, konnte er es sich vorstellen, sie hatte auf ihn resolut gewirkt.
    »Herr Lehmann soll mit seinem Campingplatz nicht so ganz zufrieden sein. Außerdem kamen die Motorradfahrer, die Ihren Sohn bedroht haben, von dort.«
    »Niemals! Wirklich nicht.« Es war jetzt weniger eindringlich als flehend ausgesprochen, als ginge es darum, allein den Gedanken weit von sich zu halten.
    Es würde wenig Feingefühl zeigen, wenn Georg weiter insistierte. Nahm er hingegen die Sicherheit der Familie Albers ernst, musste er sie auf mögliche Gefahren hinweisen, auch auf die Gefahr hin, dass er die Frau weiter beunruhigte.
    »Versuchen Sie, einen klaren Kopf zu bewahren. Halten Sie alles für möglich, halten Sie den Kreis der Verdächtigen weit offen, schließen Sie niemanden aus. Ihr Sohn erwähnte gestern den Namen ›Weissgräber‹. Was ist mit ihm? Es soll Streit gegeben haben, einen Prozess, Beleidigungen.«
    Frau Albers zeigte sich unangenehm davon berührt, dassGeorg derart viel wusste, obwohl es sicher weniger war als das, was die Nachbarn im Dorf mitbekamen. Scham ist nur hilfreich, wenn man sich ändert, dachte Georg, sie kann einen aber auch verstummen lassen. Die ruhelosen Augen der verzweifelten Frau ließen auf Letzteres schließen, ihr zielloser Blick bat um Schonung.
    »Sie sind selbstverständlich unser Gast«, sagte sie und stand auf, Georgs letzte Frage blieb unbeantwortet. »Ich werde über alles, was Sie gesagt haben, in Ruhe nachdenken.«
    »Die Ruhe wird man Ihnen nicht lassen.«
    Sie ignorierte den Einwand. »Was darf ich Ihnen bringen? Wein oder lieber ein Bier? Wo Sie auf einem Weingut arbeiten, ist ein Bier eine schöne Abwechslung, mein Mann hat es jedenfalls so gehalten. Also?«
    »Lassen Sie mich in die Karte schauen.«
    »Ach ja … ich hatte vergessen.« Frau Albers wandte sich ab, nach wenigen Schritten sank ihr Kopf so weit auf die Brust, als würde sie ihre Schuhspitzen betrachten.
    Sie weiß, was sie nicht wahrhaben will, dachte Georg beim Durchblättern des Menüs. Er entschied sich für Wildschweinrückenmedaillons auf Pfifferling-Rahmsoße mit Preiselbeerquitten und Butterspätzle. Der Appetit war ihm nicht vergangen, ja er aß neuerdings mit Genuss. Er konnte sehen, er konnte riechen, er konnte schmecken, er fühlte die Sonne auf der Haut, die Luft in den Lungen, und die Arbeit machte Spaß. Susanne Berthold hatte heute beim Aufwachen sein erster Gedanke gegolten. Nein, nicht schon wieder, es geht

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