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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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wissen, was mit Helmut passiert ist?«
    »Klaus sprach von einem möglichen Verbrechen«, das Wort »Mord« wollte Georg nicht aussprechen, es war zu schnell bei der Hand. »So, wie er es darstellte, ist der Winzer abgestürzt …«
    »Für mich war das eindeutig ein Verbrechen!«, unterbrach sie ihn, jeden Zweifel ausschließend. »Der Vorsitzende der Bürgerinitiative kommt ums Leben, einer, der jeden Steilhangkennt, jeden Weinstock. Wussten Sie, dass er Drohungen erhalten hat und misshandelt wurde? Anfeindungen kamen von allen Seiten. Seit er den Vorsitz der Bürgerinitiative übernommen hatte, redeten einige Leute nicht mehr mit ihm.«
    »Das ist normal«, sagte Georg. »Bei derartigen Projekten wird mit harten Bandagen gekämpft.«
    »Und einen Mord schließen Sie dabei aus?« In ihrer Stimme schwangen Erstaunen und Empörung mit.
    »Verstehen Sie mich nicht falsch, Frau Berthold. Selbstverständlich kommt es bei derartigen Protesten zu heftigsten Auseinandersetzungen, zu Beleidigungen, zu Ausfällen jeder Art. Ich bin in Hannover aufgewachsen, und solange ich denken kann, wird um das Endlager für Atommüll in Gorleben gestritten, auf sämtlichen Ebenen, mit Blockaden, Polizeieinsätzen und Misshandlungen. Man weiß ja nichts Genaues, ich selbst weiß von dem Unglück nur durch Klaus. Man sollte die Untersuchung abwarten. Bisher, so glaube ich, hat niemand ein umfassendes Bild. Ich habe einige Steilhänge gesehen, ich möchte nicht auf den abschüssigen Terrassen arbeiten müssen  – ohne Geländer.« Georg merkte, dass er sich mit seinem Widerspruch auf dünnes Eis begab.
    Frau Berthold hatte bereits ihre Theorie, ihre Vorurteile, und die wurden bestätigt.
    »Spekulationen sind immer eine zwiespältige Sache. Oder wissen Sie mehr als ich?« Er schlug einen versöhnlichen Ton an, wie er es bei Konflikten in seiner alten Firma getan hatte, bevor die Amerikaner gekommen waren. »Wir sollten die Zeitung abwarten.« Er durfte ihr auf keinen Fall erzählen, worum Menges ihn gebeten hatte.
    »Die Medien bringen sowieso nur die offizielle Version, und das ist die der Regierung und der Brückenbefürworter!« Susanne Berthold war wieder so verschlossen wie vorher. »Helmut Menges war ein erfahrener Mann«, sagte sie, verärgert, dass er ihrer Ansicht nicht folgte, »so jemand fällt nicht einfach den Berg runter! Ihr Freund, der Herr Sauter, besitztkeine derartigen Terrassen. Weder bei ihm noch bei mir«, sie zeigte in Richtung der Weinberge, »sind die Lagen so steil. Aber wir sollten besser nicht streiten. Sie haben mir geholfen, dafür bin ich Ihnen dankbar. Ich werde mich bei Gelegenheit revanchieren.« Jetzt klang sie ein wenig verbindlicher. »Kann ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«
    Für Georg war es nicht einfach, ihren Gefühlsschwankungen zu folgen, geschweige denn sie zu verstehen. Bei den letzten Worten bemerkte sie, dass Kilian wieder auf dem Gabelstapler saß.
    »Komm da runter, du störst Herrn …?«
    »Hellberger, Georg. Aber nein, er stört nicht, ich nehme ihn wieder mit rüber.«
    Kilian aber bestand darauf, dass sie vorher eine Tasse Kaffee tranken.
    »Ich schau mal nach, ob überhaupt noch welcher da ist«, sagte sie und verschwand im Haus. Kilian bedeutete Georg derweil, mitzukommen und sich den Betrieb anzusehen. Der Junge kannte sich bestens aus und erklärte, welche Maschinen und Geräte im Hof standen. Nach dieser Vorführung winkte er Georg zum Gärkeller.
    »Meinen Bruder interessiert das nicht. Karsten will nur Fußball spielen, aber für einen Profi ist er viel zu lahm. Ich will später hier arbeiten, ich will Winzer werden, ich erbe das alles!«
    Georg wusste nicht, wie die Worte zu nehmen waren. »Du willst das erben? Du weißt, dass deine Mutter vorher sterben muss. Willst du das?«
    »Ist das so?«, fragte der Junge erschrocken. »So wie bei meinem Großvater?«, und als Georg bedächtig nickte, meinte er, dass er dann lieber nichts erben wolle. »Aber wenn meine Mutter krank ist, was ist dann?«
    »Dann kannst du ihr Arbeit abnehmen, ihr helfen, ihr das Leben erleichtern und dafür sorgen, dass sie wieder gesund wird.«
    »Ja, das ist besser. Komm mit, ich zeige dir unsere Barriques.«
    Es war ein ähnliches Gewölbe wie bei Sauter, bei Weitem nicht so groß, die Luft und die Wände waren genauso feucht und wie mit einem schwärzlichen Moos bewachsen und mit weißen Salpeterflecken. Der Geruch war identisch: süßlich, ein wenig wie Wein, ein wenig säuerlich und wie der von

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