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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Flachlagen verkauft, weil sie nicht moseltypisch sind, und bewirtschaften nur noch Steillagen. Früher hatten wir die doppelte Fläche, heute haben wir die doppelte Arbeit, und die Maschinen sind teuer, Steillagenweinbau ist zumTeil lebensgefährlich. Als der Winzer Franzen tödlich verunglückte, musste sein Sohn das Önologiestudium in Geisenheim abbrechen, um den Betrieb zu retten. Seine Freundin stieg mit ein. Ich habe höchste Achtung vor den jungen Leuten und vor dem, was sie jetzt machen. Fahren Sie hin, wenn Sie was über junge, moderne Weine wissen wollen und sich wirklich für die Mosel interessieren. Bei mir hat sich das leider etwas anders entwickelt.«
    Sie starrte zur Seite, Georg folgte ihrem Blick, aber da war nichts als eine weiße Wand, und die Frau ihm gegenüber wurde genauso undurchdringlich.
    Es ist verrückt, was das Leben mit uns anrichtet, dachte Georg, und die Menschen. Und die uns nahestehen, fügen einem die schwersten Verletzungen zu.
    »Steillagenweinbau ist ungeheuer arbeitsintensiv und damit teuer.« Frau Berthold war wieder bei dem Thema, über das sie problemlos reden konnte. »Den honoriert eigentlich niemand mehr richtig, so wie früher. Wir haben später auf Direktvermarktung umgestellt, wir mussten uns einen Kundenstamm aufbauen …«
    »Ihre Mutter und Sie?«
    Frau Berthold holte tief Luft und senkte den Kopf, als müsse sie sich zum Weitereden überwinden. »Die Ehe meiner Eltern war von der klassischen Art, wenn Sie so wollen: Der Mann macht die Ansagen, die Frau pariert. Mein Vater hat nie etwas diskutiert, was den Betrieb anging, daher verstand meine Mutter nichts vom Geschäft, nichts von der Landwirtschaft.« Sie blickte auf, als wäre alles gesagt oder als bäte sie darum, dass Georg nicht weiter nachfragte. »Sie müssen sicher wieder rüber. Bischof wird Sie vermissen. Sie werden bestimmt gebraucht.«
    Georg war sich nicht so sicher, ob ihn überhaupt jemand brauchte. Kilian stand derweil neben seinem Stuhl, zuletzt hatte er sich an sein Bein gelehnt, sah zu ihm auf und lauschte dem Gespräch. Als er den tadelnden Blick seiner Mutterbemerkte, rückte er unwillig von ihm ab. Georg empfand sein Zutrauen als angenehm, als warm und ehrlich, aber es machte ihn auch traurig, er dachte an Rose, an Jasmin, er sah sie vor sich, so verschieden sie auch waren. Was konnte er tun, um sie hierherzuholen? Niemand würde es ihm sagen, nur er kannte die Antwort, sofern es eine gab.
    »Kilian hat mir erzählt, dass bei Ihnen ein Mitarbeiter krank geworden ist. Wenn Sie Hilfe benötigen, brauchen Sie es nur zu sagen. Schicken Sie den Jungen, wenn ich was für Sie tun kann. Ich helfe gern.«
    »Sie waren mir heute schon eine große Hilfe, wir kommen allein zurecht, wir werden es bestimmt allein schaffen.«
    »Aber wenn er uns doch helfen will, Mama …« Kilian hätte es am liebsten gesehen, wenn Georg geblieben wäre. Fast flehend sah er seine Mutter an.
    »Lass es gut sein, Kilian«, meinte sie streng, geradezu mit einem drohenden Unterton, und der Junge verließ gesenkten Hauptes die Küche. »Sie müssen entschuldigen«, sagte sie in dem ihr eigenen Ernst und stand auf. Es war das Zeichen, zu gehen.
    Eine unglückliche, aber kluge Frau, dachte Georg, als er betrübt allein auf den Gabelstapler stieg.

    Den Rest des Vormittags wurde schweigend gearbeitet. Beim Mittagessen sprach die Belegschaft ausschließlich über den Tod des Winzers. Frau Wackernagel und Klaus hingen einer Verschwörungstheorie an, nach der es ein Komplott der Betreiber des Flughafens Hahn, von Brückenbauern und Landespolitikern zur Ermordung von Helmut Menges geben müsse. Frau Ludwig hielt sich vorsichtig zurück, Bischof hingegen hielt alles für Unsinn und sprach über andere Unglücke, die sich an der Mosel ereignet hatten, ein Unfall war in seinen Augen durchaus denkbar. Nach Georgs Empfinden entsprachen seine Argumente eher dem Versuch des braven Bürgers, sich nicht sein Bild der heilen Welt zerstören zu lassen.Sich vorzustellen, dass die Apologeten des Fortschritts zu derartigen Schandtaten fähig waren, hätte ihm den Schlaf geraubt.
    Aber der Mensch ist zu allem fähig, dachte Georg, man muss ihn nur entsprechend abrichten, und er dachte an die Übernahme »seiner« Firma durch COS. In Deutschland war die Anwerbung von Söldnern für weltweite Aufgaben per Gesetz verboten, daher leitete COS Interessenten an das Büro in Holland weiter, wo freie Männer nicht »von Gesetzen geknebelt« wurden, wie Baxter

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