Tödlicher Steilhang
die Mannschaft musste frühzeitig zusammengestellt werden. Maschinen kamen bei Sauter nicht zum Einsatz, obwohl bereits Raupenschlepper erprobt wurden, mit denen auch am Steilhang maschinell gelesen werden konnte. Derart teure Maschinen amortisierten sich nur bei großen Weingütern. Die Ergebnisse waren oft unbefriedigend. Frau Wackernagel beklagte, dass es jedes Jahr schwieriger wurde, gute Erntehelfer zu finden. Die Vorarbeiterin, eine Polin, kam seit zehn Jahren zu ihnen, sie führte nicht nur ihre Landsleute an, sondern inzwischen auch eine Gruppe Rumänen. Wer sich ihr nicht unterordnete, wie Frau Wackernagel meinte, flog sofort aus dem Team. Sie, die Polin, machte ihre Sache angeblich ausgezeichnet.
Georg wartete darauf, dass Frau Wackernagel nach Hause ging. Er wollte Sauter anrufen, er wollte ihm nicht mit seinenErmittlungen in den Rücken fallen, irgendetwas tun, was seinem Gastgeber schaden oder ihn verärgern könnte. Um sich die Zeit zu vertreiben, blätterte er in einer Winzerzeitschrift und blieb bei einer Art Manifest zum Erhalt des Steillagenweinbaus hängen.
»Die Weinkulturlandschaft Mosel lässt sich nur erhalten, wenn die Bewirtschafter der Weinberge für ihre Arbeit in den Steillagen angemessene Einkommen erzielen.«
Das war eine klare Aussage, im Grunde eine Selbstverständlichkeit, genau wie die Forderung, dass die Mosel als Weinbaugebiet mit weltweit einmaligem Charakter überlebte und nicht anonyme Großunternehmen in den Händen von Hedgefonds mit Massenprodukten das Leben der Weinbauern zerstörten, wie es anscheinend die Bürokraten in Brüssel planten. Für die existierten lediglich Konzerne, irgendwann nur noch ein einziger. Dann sind wir bei Verhältnissen wie in der DDR angelangt, dachte Georg.
Die Forderungen des Weinbauverbandes begannen bei der Qualitätsverbesserung und führten über Mengenbeschränkung und staatliche Förderung von Terrassen und Mauerbau als Biotope bis hin zu Flächenprämien. Querterrassen sollten die Arbeit erleichtern, der Weintrinker auf dem Etikett bereits erkennen, dass ein Wein aus der Steillage kam. Eine Verbesserung der Ausbildung würde außerdem den Nachwuchs motivieren, sein Heil nicht in der Flucht in die Großstädte zu suchen, wie Frau Wackernagel meinte. Derart engagierte junge Männer wie Klaus seien selten.
Endlich war Georg allein im Büro und konnte telefonieren. Er hatte Stefan Sauter sofort an der Strippe. Von ihm erfuhr er von den schleppenden Ermittlungen der italienischen Polizei, dass man ihm und seinen Mitarbeitern eine Falle gestellt habe. Es sei nur schwierig herauszufinden, wer die Polizei mit falschen Anschuldigungen gefüttert habe und was damit bezweckt werde.
Den Tod von Helmut Menges anzusprechen fiel Georgschwer, schließlich überwand er sich und gab weiter, was er von Klaus wusste und wie die anderen Mitarbeiter darüber dachten.
Nach einem Moment der Stille schloss sich Sauter ihrem Verdacht an. »Menges stand an exponierter Stelle, er war seit zehn Jahren dabei, alle kennen ihn. Er hat alle Flugblätter der BI unterschrieben, alle E-Mails als presserechtlich Verantwortlicher unterzeichnet, er ist im Fernsehen aufgetreten und hat mit den Verantwortlichen verhandelt.«
»Wussten Sie, dass er verprügelt worden ist?«
»Selbstverständlich.«
»Und waren Sie auch in der BI aktiv?«
»Ich habe ihre Aktivitäten eher wohlwollend beobachtet und finanziell unterstützt«, antwortete Sauter wachsweich. »Meines Erachtens wird die Brücke gebaut, der Widerstand war nicht entschieden genug, viele Leute versprechen sich Vorteile von ihr, obwohl nicht ein Versprechen eingelöst werden wird. Sogar die Grünen sind umgefallen. Da geht nichts mehr.«
Georg erzählte, dass Menges ihn wenige Stunden vor seinem Tod um Hilfe bei der Suche nach den Schlägern gebeten habe.
»Das hat sich doch jetzt erübrigt – oder?«, meinte Sauter lapidar.
»Wenn Sie das so sehen. Dann wird es sicher seine Richtigkeit haben«, entgegnete Georg, jetzt seinerseits wachsweich.
Damit war für ihn klar, dass er sich mit dem Fall befassen würde. Vertraute Sauter ihm nicht? Oder hatte er für ihn eine spezielle Rolle vorgesehen?
10
Nachdem Klaus in Erfahrung gebracht hatte, dass die Mitgliederversammlung verschoben war, ließ er es sich nicht nehmen, Georg zur Unglücksstelle zu begleiten. Er lotste ihn durch Ürzig und am Ortsausgang weiter über den oberen Wirtschaftsweg zum Würzgarten, wo man Menges’ Wagen gefunden hatte. Darüber
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