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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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trug. Die Zeichnung war ausgesprochen realistisch, sein Stoppelhaar war gut getroffen, nur konnte sich Georg nicht daran erinnern, gelacht zu haben.
    Sah ihn der Junge so, als lachenden Popeye? Wollte er ihn so sehen? Signiert hatte »Kili«. Der Junge hatte Anlagen zumCartoonisten, sein Blick war genau, sein Strich klar, die Hand nicht mehr ganz kindlich. Der Junge gefiel ihm immer besser.
    Doch trotz der Freude fühlte Georg sich bedrängt. Es war ziemlich klar, der Junge suchte eine Vaterfigur, etwas anderes konnte er sich nicht vorstellen. Wie sollte das funktionieren, wenn er gerade den sehr schmerzhaften Prozess durchlebte, zu begreifen, dass er nicht zum Vater taugte? Genau das hatte er unter Beweis gestellt, er hatte seine Kinder verlassen. Er hätte bleiben und um sie kämpfen müssen, aber eine Miriam, die täglich Gift und Galle gegen ihn spuckte, und das lautstark, was ihn noch mehr verletzt hatte, war nicht länger zu ertragen gewesen. Er hatte gar nicht mehr argumentieren können, seine Worte und Erklärungen waren überflüssig, sie hörte nicht hin, sie hatte ihn nur sehen müssen, um laut zu werden. Im Grunde hatte sie nur gegen ihre Angst angeschrien, er meinte, es in ihren Augen gesehen zu haben. Es war die Angst vor dem sozialen Abstieg, den er überhaupt nicht fürchtete.
    Was auch geschah, er würde sich durchschlagen, zur Not bei Rockkonzerten, wie früher als Wachmann, er hatte Geldtransporter gefahren, aushilfsweise, zunächst, um sich im Studium etwas hinzuzuverdienen, und später, um die Gefahren dieser Arbeit kennenzulernen. Für die Mädchen würde er immer sorgen. Was brauchte er schon? Und mehr als den Mindestlohn würde er immer erwirtschaften. Dann müsste Miriam wieder arbeiten gehen, und genau das fürchtete sie wie die Pest.
    Der Wein war inzwischen kalt genug, er betrachtete das Etikett und dachte an Susanne, an Susanne Berthold, korrigierte er sich innerlich, und er dachte an ihre abweisende Art. Welche Verletzungen hatte sie davongetragen, dass sie so schroff, so unnahbar geworden war? Zumindest hatte sie eine Flasche Wein geschickt und seine Bemerkung zu den Blumen in Erinnerung behalten. Wann hatte er zuletzt Blumengeschenkt bekommen? Zu seinem Vierzigsten von der Firma, bevor die Amis sie übernommen hatten. Aber Miriam hatte ihm niemals Blumen geschenkt.
    Der Fernseher lief, er sah nicht hin, er hörte nur etwas davon, dass in die EFSF-Richtlinien ein »Hebel« eingebaut werden solle. Auf einem anderen Kanal begannen Politiker eine Debatte über den Europäischen Rettungsschirm, den ESM, den sogenannten europäischen Stabilitätsmechanismus. Da niemand verstand, wie das alles wirken sollte, hörte man weg, schloss die Augen, steckte den Kopf in den Sand und benahm sich wie die drei Äffchen.
    Er aber musste etwas tun, er musste sich darum kümmern, weshalb die Polizei die Schläger nicht ermittelt hatte – oder es nicht gewollt hatte. War sie mit einer Weisung »von oben« daran gehindert worden? Auch wenn die Schläger mit dem Mord nichts zu tun hatten – jetzt dachte er bereits selbst an Mord –, konnte ihm die Suche helfen, die Situation hier zu begreifen. Dass man ihn als Ermittler sah, hatte einen gewissen Reiz. Es umgab ihn mit einem fast offiziellen Mantel, mit einer Art Autorität. Die Leute würden darüber reden, das konnte ihm nutzen. Würden die Beteiligten sich verkriechen oder sich aus der Deckung wagen, um ihn zu behindern?
    Er starrte wieder auf die Zeichnung und auf den Bildschirm. Es könnte eine Option sein, hier Land zu kaufen, nicht gerade den steilsten Hang, und vielleicht Land oben auf dem Hunsrück. Land war immer die sicherste Anlage in Krisenzeiten. Die Bauern hatten zu essen gehabt, er dachte an die Geschichten seiner Großeltern, wie sie zum Hamstern aufs Land gefahren waren und ihren letzten Teppich gegen einen Sack Kartoffeln getauscht hatten.
    In der Finanzkrise und der auf sie zukommenden Inflation würde nur noch Erde helfen, Boden, Land, Ackerfläche und der Anbau von Lebensmitteln. Zuletzt würde man das Wenige, das einem blieb, mit der Waffe verteidigen müssen.
    Er hatte sowieso seine ganz eigene Theorie zur Krise, seiter die Übernahme durch COS erlebt hatte. Er sah sie als Ergebnis des Angriffs der USA auf die europäische Einigung. Die USA konnten keinen neuen Machtblock auf der Welt dulden, der ihren Anspruch auf die Weltherrschaft gefährdete. China und Putin waren schlimm genug. Und da nicht nur die Sicherheit, sondern auch

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