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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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hatte. Steilstlagen begannen bei fünfzig Prozent Hangneigung und durften nicht durch Wege erschlossen sein beziehungsweise mussten von Hand bearbeitet werden, wie auch Terrassen, um staatliche Förderung zu erhalten.
    Beim Durchblättern des Ordners kam er nicht voran, die Formulare waren schwierig zu verstehen, Anträge zur Förderung kompliziert. Sie wurde von den Kreisverwaltungen bewilligt, die flächenbezogene Prämie betrug jährlich siebenhundertfünfundsechzig Euro je Hektar, respektive zweitausendzweihundertfünfundfünfzig Euro für die Steilstlagen. Georgs Rechnergehirn sagte ihm, dass diese Beträge in Relation zu den höheren Bearbeitungskosten zu setzen waren, um festzustellen, ob das sinnvoll war. Aber diese Kosten kannte nur Sauter.
    Dann fand er Anträge für den Erhalt der Mauern im Weinberg oder ihre Rekonstruktion mit dem entsprechenden Rattenschwanz von Unterlagen, die mit diesen Anträgen eingereicht werden mussten. Davon verstanden wahrscheinlich Klaus und Bischof auch nichts, wohl aber Susanne Berthold. Diese Regeln galten auch für ihre Weinberge. Vielleicht hatte sie letzte Nacht, als Licht in ihrem Büro brannte, einen solchen Antrag ausgefüllt? Was hatte er sich bislang unter dem Beruf des Winzers vorgestellt? Sicher nicht das Ausfüllen von Anträgen. Schon eher etwas wie Laubschnitt.
    Bischof kam vor Feierabend kurz vorbei und schlug vor, falls Frau Wackernagel morgen wieder da sei, mit Klaus in der »Sonnenuhr« die Leute vom DRK in Bernkastel-Kues zu beaufsichtigen, die mit dem Laubschnitt betraut war.
    »Die nötigen Arbeitskräfte könnten wir niemals fest anstellen, so viel erwirtschaftet das Weingut nicht«, meinte er. »Alles, was Handarbeit erfordert, lassen wir meist von Lohnunternehmern erledigen. Die sind meistens gut und schnell und wissen, worauf es ankommt.«
    »Und worauf kommt es an?«, fragte Georg.
    »Auf das richtige Verhältnis von Blatt zu …« Er stockte mitten im Satz und starrte zur Tür. Frau Berthold war eingetreten, Kilian an der Hand. Er zwinkerte Georg zu.
    Sie grüßte ein wenig befangen, es schien ihr nicht recht, dass Bischof zugegen war.
    »Der Termin wurde verschoben, wir fahren jetzt nach Graach zu Willi Schaefer. Wenn Sie was lernen wollen, wenn Sie Lust haben, Herr Hellberger, dann nehme ich Sie mit.« Achselzuckend wies sie auf Kilian: » Er hat darauf bestanden«, sagte sie, und es klang wie eine Ausrede.
    Bischof zog sich zurück, Kilian freute sich, dass Georg mitkam, und Frau Berthold wurde immer befangener. Wieso lud sie ihn dann zur Weinprobe ein?
    Bis nach Graach war es nur eine Fahrzeit von fünf Minuten, zu kurz, um Neuigkeiten im Fall Menges zu erörtern.Georg beglückwünschte Kilian stattdessen zu seinen künstlerischen Fähigkeiten, nur so stark wie Popeye sei er wahrlich nicht, dann waren sie am Ziel, bogen vor Graach von der Uferstraße ab und fuhren durch die schmale, von Pkw, Lieferwagen und Landmaschinen teilweise verstopfte Dorfstraße.
    Als Georg im Vorbeifahren einen schnellen Blick auf die Kirche warf, stellte Susanne Berthold die Gretchenfrage, die nach der Religion.
    »Ist das wichtig?«, fragte Georg zurück, und sie schüttelte den Kopf.
    »Wir haben diverse Gemeinden unterschiedlicher Konfessionen, bedingt durch die Reformation und Preußens Herrschaft im neunzehnten Jahrhundert hier. Ein Dorf ist katholisch, das nächste wieder evangelisch. Aber in einem waren sich die Pastoren und Priester einig, Sie kamen gern hierher, denn zu jedem Pfarrhaus gehörte damals ein Weinberg. Die rührten oft aus Nachlässen, wer keine Erben hatte, vermachte den Besitz der Kirche.«
    »Und wie halten Sie es mit der Religion?«
    »Es gibt Ereignisse im Leben, die bringen einen vom Glauben ab«, sagte sie sibyllinisch.
    Kurz vor dem Ortsende bogen sie gegenüber vom Gasthaus in einen Hof ein. Inzwischen erkannte Georg anhand der Maschinen oder der herumstehenden Geräte, ob sie bei einem Bauern oder Winzer vorgefahren waren.
    Willi Schaefer war ein Mann mit einer positiven Lebenseinstellung. Er war schlank und groß, beweglich, sowohl in Bezug auf den Geist wie auch auf den Körper, die Arbeit im Weinberg hatte ihn nicht verbraucht, im Gegenteil, obwohl er nicht mehr der Jüngste war. Georg glaubte, dass die Einstellung zum Beruf und die Art, wie man ihn ausübte, darüber entschieden, ob oder was man ihm opferte, an Geist und Knochen. War für ihn der Ausstieg gekommen, die Zeit, etwas gänzlich anderes zu tun, bevor er ernstlich

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