Tödlicher Steilhang
in dieser Welt einen Namen gemacht und Bedeutung erlangt hatten.
Sauter, so begriff er, spielte in der zweiten Liga. In welcher Frau Berthold spielte, war ihm nicht klar. In der ersten sicher nicht, sonst hätte er ihren Namen im Weinführer gefunden. Konnte oder wollte sie auf dieser Bühne nicht mitspielen? Von ihrer Stimmungslage her war beides möglich.
Willi Schaefer gehörte ebenfalls zu den Brückengegnern. Seine beiden Lagen waren direkt betroffen. Er fürchtete um die Wasserführung, da die vierspurige Schnellstraße zur Brücke direkt auf dem Kamm entlangführen sollte, dem Bereich mit den höchsten Niederschlägen. Möglicherweise beeinträchtigte der Eingriff in die Wasserscheide den unterirdischen Wasserfluss, der seine Stöcke am Leben erhielt.
»Der Chef des geologischen Landesamtes meinte, dass dieser Umstand keine Auswirkungen habe«, sagte Schaefer, als er und Frau Berthold wieder am Tisch Platz nahmen. Kilian lief draußen Schaefers Sohn hinterher. »Wenn nichts untersucht wurde, wie kommt man dann zu dieser Aussage? Da wird Glaube mit Wissen verwechselt. Es geht um Interessen. Jeder Politiker müsste gezwungen werden, zu erklären, für welche Firma er arbeitet, in welchem Vorstand er sitzt und in welchem Aufsichtsrat.«
Frau Berthold war der Ansicht, dass sich dadurch nichts ändern würde. »Das sieht man an Berlins Regierendem Bürgermeister.Ob er dem Aufsichtsrat des Flughafens angehörte oder nicht – was macht das für einen Unterschied? Außerdem würde ein derartiges Gesetz nie verabschiedet. Die Abgeordneten ziehen sich nicht selbst den Stuhl weg, auf dem sie sitzen.«
Georg empfand die Forderung als berechtigt und ihren Kommentar wenig hilfreich, er war Ausdruck ihrer negativen Weltsicht oder Stimmung. Doch weigerte sich der Bundestag konsequent, die internationale Konvention gegen Korruption und Bestechung zu unterzeichnen. Der Grund war offensichtlich. Und wie man mit Firmenbeteiligungen die Gesetze zur Parteienfinanzierung umging, zeigte die FDP. Die Volksvertreter standen auf der anderen Seite. Schaefers nächste Informationen betätigten das.
»Wir wollten verhandeln, aber die Landesregierung nicht. Ihre Kommission hat unsere Leute wie Dreck behandelt, ihre Juristen warfen mit Paragrafen um sich, mit denen wir nichts anfangen konnten. Eine Vermittlung wurde schlichtweg abgelehnt, es hätte ein Vorschlag für eine sinnvollere Trassenführung dabei herauskommen können oder sich gezeigt, dass die Umweltbelastung zu hoch ist. Noch vor der Genehmigung wurden Landkäufe getätigt, so kaufte man den Widerstand. Und gleichzeitig fordern interessierte Kreise mehr Wachstum für die Region und wollen dabei angeblich die Natur schonen. Wie soll das gehen?«
Aber jetzt drängelte sie, Georg sollte Schaefers Weine probieren. Oder wollte sie es selbst?
Die jungen der Vorjahre, ob nun Kabinett oder Qualitätswein, empfand Georg für seinen Geschmack als zu herb, einen anderen als zu süß, das war bei der Spätlese ähnlich, das Große Gewächs hingegen gefiel ihm in seiner Weichheit und mit der schönen Frucht viel besser. Die Auslese vom Domprobst war, wie Schaefer selbst meinte, noch zu jung zum Probieren. »Ich probiere ihn wieder in fünf, in zehn und in fünfzehn Jahren.«
Hoffentlich hatte er genug davon im Keller. Auch die Beerenauslese war noch zu grün und verschlossen. Mit einem wissenden Lächeln präsentierte der Winzer den Knaller: eine Auslese von 1976. Ein warmer Sommertag, an einem Bach in einer duftend warmen Wiese liegend, und ab und zu bringt ein feiner feuchter Lufthauch Kühlung. An diese poetische Beschreibung eines Weins meinte Georg sich erinnern zu können, er hatte sie als albern empfunden, doch hier kam sie ihm in den Sinn und entsprach dem Wein. Er war grandios.
Und der Graacher Domprobst von 1993, schon von der Farbe wie Honig, bei dem die Frucht trotzdem stärker war als die Karamellnoten, überzeugte ihn vollends von der Kunst dieses Mannes.
»Wie, zum Teufel, weiß der Mann«, fragte Georg, als er wieder neben Frau Berthold im Auto saß, »dass in fünfzehn Jahren aus seinem Wein so etwas Fantastisches wird?«
»Erfahrung.« Das eine Wort reichte ihr als Erklärung.
»Dann erinnert er sich, wie der Wein vor zwanzig Jahren geschmeckt hat?«
»Ja und nein«, antwortete Frau Berthold.
»Wie soll ich das verstehen?«
»Es kommt auf den Jahrgangstyp an«, erklärte sie. »Die Mosel ist im Umbruch, wir haben seit zwanzig Jahren keinen unreifen Jahrgang
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