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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Schadennahm? Den hatte er bereits genommen, sonst gäbe es nicht diese unüberbrückbaren Konflikte, so gravierend, dass sogar Gewalt ins Spiel kam. Nein, ein Spiel war das nicht.
    Die Weine von Willi Schaefer sollten gut sein, wie Susanne Berthold ihm erklärt hatte. Er war dem Namen gestern zum ersten Mal im Gault Millau begegnet, zehn Jahrgänge des Weinführers standen im Büro. Da war auch über Sauter geschrieben worden. Schaefers Weingut war mit 4,3 Hektar am Hang oberhalb des Dorfes kleiner als das von Susanne Berthold und machte weniger als die Hälfte von Sauters Besitz aus. Die Lagen hießen Graacher Himmelreich und Domprobst, beide waren ausschließlich mit Riesling bestockt, der auf Devonschiefer wuchs, was immer das zu bedeuten hatte, wenn es denn etwas zu bedeuten hatte.
    »Die Ablagerungen im Meer entstanden vor vierhundert Millionen Jahren, im Devon«, erklärte Frau Berthold, auf einmal Geologin, mit leuchtenden Augen. »Es sind kilometerhohe Ablagerungen in einem urzeitlichen Meer. Bei der Kollision von Gondwana und Laurussia wurden sie zu Schiefer verdichtet.« Sie stockte, als sie bemerkte, dass Schaefer zuhörte, und forderte ihn zum Weiterreden auf.
    »Mir behagt die geringe Größe meines Weingutes sehr, mehr Land wollte ich nie haben, ich will meine Weinberge kennen, sie überschauen können und mich nicht in einen Geschäftsmann in Sachen Wein verwandeln.« Wenn er sich nicht mehr um jeden einzelnen Wein kümmern könnte, wäre er mit dem, was er schaffe, nicht mehr zufrieden, erklärte Schaefer.
    Endlich traf Georg mal jemanden, der nicht vom Wachstumswahn besessen war. Und er beschäftigte die Leute aus dem Dorf, vormalige Besitzer der an ihn verkauften oder verpachteten Lagen. Es waren Menschen, so beschrieb er sie, die dem Wein verbunden waren und etwas davon verstanden, die in ihren Hängen zu Hause waren und die ihre teils sehr alten Rebstöcke kannten  – noch aus der Zeit, als manKühe hielt und Weizen anbaute  –, und Menschen, die den Rebstöcken verziehen, dass sie im Alter wenig Trauben trugen. Dafür aber waren sie von ausgezeichneter Qualität, wie Willi Schaefers Weine bewiesen.
    »Er arbeitet konventionell«, erklärte Frau Berthold, als Schaefer kurz den Raum verlassen hatte, »bei ihm geht alles von Hand, er geht sogar mit der Hacke in den Weinberg und wehrt sich gegen Drahtrahmenziehung. Bei ihm steht jeder Stock einzeln. Das geht nur, wenn man die Weine entsprechend bezahlt bekommt. Deshalb verkauft er viel in die USA, dort schätzt man Moselweine mehr als hier. In Deutschland hat die Mosel längst nicht das Ansehen, das sie verdient.«
    »Und woran liegt das?« Georg hatte zwar einiges aufgeschnappt, aber er traute sich nicht, es auszusprechen. Blamieren wollte er sich nicht.
    »Das hat mit der Flurbereinigung der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts zu tun. Die sollte den Winzern ein besseres Einkommen verschaffen. Man war hier früher sehr arm. Was glauben Sie, wieso Karl Marx aus Trier stammt? Die Flächenausdehnung aber brachte uns Schande. Die Lage Zeller Schwarze Katz, früher eine Spitzenlage, wurde von vierzig auf zweihundert Hektar ausgedehnt, bei völlig anderen Boden- und Lichtverhältnissen. Bei Reisen ins Ausland lernten die Deutschen trockene Weine kennen, aber die Mosel blieb süß, und damit hintenan, und was trocken war, wirkte nur sauer; die Sonne fehlte, die lange Reife. Zusätzlich wurde billiger Wein aus Rheinhessen importiert und als Moselwein verkauft. Und zu allem Übel wurden Rebstöcke auf langweiligen Schwemmlandböden statt auf Schiefer gepflanzt, mit denen man die Fläche verdoppelte. Da stürzte die Qualität ab, die Nachfrage ebenso, die Preise brachen ein. Was unser Potenzial ist, werden Sie erkennen, wenn wir seine Weine probieren. Zuerst aber muss ich einige Fragen mit ihm klären.«
    Frau Berthold stand auf, als der Winzer wieder in die Türtrat. Sie ließen Georg allein und nahmen Kilian mit. Er blickte sich im Raum um und las Artikel in Fachzeitschriften, betrachtete Auszeichnungen und Preise, die das Weingut gewonnen hatte. Die gerahmten Urkunden zeigten, was sie Schaefer bedeuteten. Die Weine des Mannes, der eben noch im blauen Arbeitshemd ohne jede Attitüde vor ihm gesessen hatte, waren in der ganzen Welt bekannt und beliebt. Nur Georg hatte nie zuvor von ihm gehört. Sicher war es hier wie in jeder Sparte, es waren immer nur Insider, die Eingeweihten, die Bescheid wussten, die alle wichtigen Namen derer kannten, die sich

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