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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Castro
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ja.«
    »Ma’am?«
    »Ja. Ja, ich möchte einen Termin vereinbaren.«
    »In Ordnung«, sagt sie gutgelaunt. »Worum geht es?«
    »Wie bitte?«
    »Was ist Ihr Anliegen?«
    Ich schaue mich um, aber die anderen Gäste sind alle in Gespräche vertieft. Trotzdem senke ich die Stimme. »Ich glaube, ich leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung.«
    »Okay.« Ihr Stift kratzt über Papier. »Und führen Sie die Symptome auf Gewalt zurück, die Sie mit angesehen haben, auf Gewalt, der Sie persönlich ausgesetzt waren, oder auf Gewalt, die Sie selbst verübt haben?«
    »Was?«
    »Ist die Störung ...«
    »Muss ich die Frage beantworten, um einen Termin zu kriegen?«
    »Nein, überhaupt nicht«, erwidert sie unverändert fröhlich. »Dr. Collins versucht nur, schon im Vorweg möglichst viele Informationen zu bekommen. Und die Frage, ob Sie selbst Gewalt verübt haben, müssen wir stellen«, fügt sie vertraulich hinzu, »jetzt, wo so viele Soldaten von ihren Einsätzen im Irak und in Afghanistan zurückkehren. Gewalt ausgeübt zu haben kann genauso traumatisieren wie andere Erfahrungen.«
    »Davon habe ich gehört. Studieren Sie Psychologie?«
    »Ja! Wie kommen Sie darauf?«
    »War nur eine Vermutung.«
    »Ich bin im dritten Jahr an ...«
    »Hören Sie, können Sie mir einfach einen Termin geben?«
    »Selbstverständlich«, flötet sie. »Sagen Sie mir bitte Ihren Namen?«
    Das tue ich.
    »Für morgen hat jemand abgesagt.«
    »Morgen nicht. Da habe ich etwas zu erledigen.«
    Schließlich finden wir für nächste Woche einen Termin, der passt.
    Als ich auflege, habe ich Herzklopfen und muss die Hände flach auf den Tisch legen, damit sie aufhören zu zittern.
    An dem Abend vegetiere ich nur so dahin. Grübele. Wandere dumpf in der Wohnung umher. Lasse das Abendessen aus. Ich strampele in meinem Laufrad wie eine Wüstenspringmaus im Käfig. Ich sehe noch einmal durch, was ich mir für das Interview morgen zurechtgelegt habe. Blake Lanusse. Ich starre auf das Foto, sein bleiches Gesicht, wie in Stein gemeißelt. Ich betrachte die Augen der kleinen Mädchen, die er vergewaltigt hat.
    Meine Story ist abgegeben. Ich muss das nicht tun. Ich muss nicht die Treppe zu seinem bizarren Wohnzimmer hochsteigen, mir sein obszönes Lachen anhören und ihm in die hellen, verstörenden Augen sehen. Ich könnte einfach anrufen und absagen. Jetzt. Aber ich tue es nicht. Auch eine Lektion, die ich an der Tulane gelernt habe: Was du angefangen hast, das bring auch zu Ende.
    Ich schaue auf dem Handy nach Nachrichten; drei sind eingegangen.
    Professor Guillory: »Wissen Sie was, Nola, ich habe neulich Abend nicht daran gedacht, dass hauptberufliche Journalisten keine Genehmigung vom Finanzministerium brauchen, wenn sie nach Kuba reisen wollen. Falls es Sie interessiert, sollten Sie da mal nachschauen.« Einen kurzen Augenblick lang stelle ich mir vor, wie es wäre, den Ort zu sehen, an dem meine Mutter aufgewachsen ist, die grünen Berge, die Küste, das blaue Meer. Und zugleich wäre es der Ort, an dem sie es nicht wagen konnte, zu ihrer eigenen Wahrheit zu stehen. »Vielleicht ist es gar nicht so schwierig.«
    Fabi: »Im Ernst, Nola. Ruf mich an. Ja, dein Freund war süß, und ja, ich fand ihn interessant, aber ich war einfach nur nett zu ihm. Wusstest du, dass er sich gleich nach dir verabschiedet hat? Ich meine, vielleicht ist es ein bisschen mit mir durchgegangen, aber so eine bin ich nicht. Das weißt du, Nola. Wir müssen reden. Es tut mir leid. Also ruf mich an.«
    Und dann ist da eine Nachricht von Bailey, in der tatsächlich so etwas wie Stolz mitschwingt. »Glückwunsch, Nola. Deine Story kommt am Dienstag. Untere Hälfte, aber Titelseite.«Kurze Pause. »Das ist die Sorte Arbeit, die ich dir zugetraut habe.« Ich hocke mich hin, ziehe die Beine an, schlinge die Arme darum und atme auf.
    Später knie ich vor meinem Bett, presse die gefalteten Hände gegen die Stirn und bete. Zur Virgen de la Caridad del Cobre, zu Oshun, zu Vorfahren, von denen ich nichts weiß. Ich gieße frischen Rum in Tellerchen, schneide eine Banane in Scheiben und stelle alles auf meinen kleinen Altar.
    Behutsam nehme ich die dunklen Zielscheiben ab, die sich um mich her angesammelt haben, lege sie übereinander und rolle sie zusammen. Dieses dicke Bündel aus erschossenen Dingen trage ich ins Bad und lasse es in die Wanne fallen. Die Metallringe, an denen der Duschvorhang befestigt ist, rattern, als ich ihn beiseiteschiebe, damit er keinen Schaden nimmt.

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