Toedlicher Sumpf
ausgebleichten Tintenspuren auf den Preisschildchen. Achthundert Dollar. Tausend Dollar. Viertausend. Leise Übelkeit steigt in mir hoch. Die Sonne knallt so, der Magnolienduft ist viel zu intensiv, und ich fühle mich völlig fehl am Platz zwischen all diesen altmodischen Sachen, die aus ihren angestammten Gärten gerissen worden sind und hier verkauft werden. Ich lehne mich kurz an einen Springbrunnen, dessen kühles Wasser über drei Etagen in große Schalen aus gehämmertem Kupfer fällt.
»Alles okay?«, fragt Soline.
»Ja, alles gut.« Stumm folge ich ihr durch den Irrgarten. Sie ist meine Freundin, ich will nicht neidisch sein. Ich bin es nicht. Aber ich habe immer noch damit zu tun, die Darlehen aus meiner Studienzeit abzuzahlen – gar nicht zu reden vonmeiner Kreditkarte, die seit der Evakuierung nach Katrina am Limit ist –, und sie verpulvert so eine Summe für ein reines Zierobjekt? Sie verkauft schicke Kleider, und ich schlage mich damit herum, über Perverse zu recherchieren?
Am Ende entscheidet sie sich für eine hübsche Bronzepyramide aus Fischen, die kleine Rinnsale in Muscheln spucken. Das Teil ist so groß wie meine Küche. Ich ringe mir ein Lachen ab.
Zum Bezahlen gehen wir in das rosa getünchte Haus; ich stehe neben Soline am Tresen. Fünftausendsechshundert Dollar. Sie unterschreibt den Kreditkartenbeleg, ohne auch nur einmal genauer hinzuschauen.
Draußen auf dem Fußweg umarmen wir einander, Küsschen links, Küsschen rechts, lächeln, winken, sie sagt: »Bis morgen!«, und ich tue so, als würde ich mich freuen. Morgen ist unser wöchentlicher Mädchenabend mit Calinda und Fabi, ich werde uns alle bekochen. Es wird bestimmt lustig.
Bestimmt. Aber auf dem Weg zurück zu meinem Auto bin ich ein bisschen traurig.
Mit dem Autoschlüssel in der Hand stehe ich im Licht der Spätnachmittagssonne, deren schräge Strahlen das Eichenlaub durchdringen, auf dem Parkplatz des »Madeleine« und überlege, was ich tun soll. Weitere Recherchen habe ich mir für heute nicht vorgenommen, und für den Moment gibt es keinen konkreten Plan. Doch dann fällt mir Blake Lanusse ein, und mir wird bewusst, wie unangenehm ich die Aussicht finde, ihn allein in seiner Wohnung zu interviewen. Mein Revier sind schließlich Galerien, Clubs und Boutiquen – und nicht die Behausungen ehemaliger Sträflinge. Von hier ist es nicht weit zum Quarter; ich könnte zu Fuß die Gegend erkunden und mich vergewissern, dass die Umgebung einen sicheren Eindruck macht.
Zufrieden mit diesem Entschluss, lasse ich den Pontiac auf dem Parkplatz stehen, überquere die St. Charles Avenue bis zudem Grasstreifen in der Mitte und setze mich auf die Bank an der Straßenbahnhaltestelle. Das Quarter ist nur einen Steinwurf entfernt.
Als die Bahn schließlich angerumpelt kommt, suche ich mir einen Platz am offenen Fenster, und weiter geht es in Richtung French Quarter, mit dem leichten Fahrtwind im Haar, vorbei an all den schönen Häusern.
Nach einer Kindheit und Jugend in den kahlen, heruntergekommenen Desire Projects habe ich mir nichts sehnlicher gewünscht als eine helle, moderne Wohnung. Alles neu, alles sauber, alles intakt. Ich wollte einen Neuanfang: die Einrichtung direkt aus dem Möbelhaus, fabrikneue Geräte. An der Tulane habe ich einen Abschluss in Geschichte gemacht, aber nicht weil ich die Vergangenheit verkläre. Ich wollte mit ihr fertig werden, ihr entkommen, sie hinter mir lassen. Ich wollte die Geschichte in Büchern bewahrt wissen – wo sie meiner Meinung nach hingehörte.
Deshalb habe ich eine Weile gebraucht, um zu begreifen, was bei der oberen Mittelschicht von New Orleans in Sachen Einrichtung und Dekor als angesagt gilt.
Für die Nichteingeweihten: Du musst Kronleuchter haben, und ohne Bourbon-Lilien-Symbole geht praktisch gar nichts. Falls du einen Hof oder kleinen Garten hast – und das solltest du, ganz ehrlich –, muss er mit rotem Backstein gepflastert sein. Am besten alter Stein, moosüberzogen und brüchig. Die Wände sollten fleckig sein, hier und da sollte die Farbe abblättern und den Blick auf faszinierende Spuren der französischen, spanischen und kreolischen Geschichte freigeben. Du brauchst einen Marmorkamin, und daneben müssen mit Seide bezogene Louis-quatorze-Stühle stehen.
Sieht in deiner Wohnung oder deinem Garten etwas abgerissen oder angegammelt aus, unordentlich, vollgestopft, heruntergekommen – rühr es nicht an! Mach es nicht sauber, und lass es um Himmels willen nicht von
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