Toedlicher Sumpf
geeisten pinkfarbenen Getränk, auf dem ein Berg Sahne thront. Ein Porsche-Cabrio fährt vor, und ein lächelnder Vater und seine Töchter steigen aus, zwei hellhäutige Halbwüchsige mit identischen braunen Pferdeschwänzen, grauen Faltenröcken und weißen Blusen mit Monogramm. Als sie sich mit ihren Cokes und Eclairs an einem Tisch in meiner Nähe niederlassen, muss ich mich ermahnen, nicht zu glotzen; mich nicht zu fragen, wie es sich anfühlen mag, so ein Kind zu sein – wenn du deinen Vater hast, wenn er sich mitten am Tag Zeit für dich nimmt und für einen kleinen Imbiss mal eben zwanzig Dollar hinlegt.
»Hallo!« Das ist Soline, laut und bester Stimmung. Mit ihrer Prada-Tasche, den Jimmy-Choo-Pumps, dem makellosen himmelblauen, rückenfreien Kleid, der dunklen Haut, der Wolke kupferbraunen krausen Haars und mit Ray, dem flauschigen weißen Bichon Frisé, unter dem Arm erscheint sie wie ein glamouröses wandelndes Argument gegen die positive Diskriminierung, auch wenn sie sofort dagegenhalten würde, dass sie das alles allein der harten Arbeit ihrer Eltern und Großeltern verdankt – und der Gnade des vom Präsidenten erlassenen Dekrets Nummer 11 246, das die positive Diskriminierung im Bundesgesetz verankert hat. »Ich hol mir nur schnell einen Eiskaffee«, sagt sie, beugt sich vor und küsst mich auf die Wange. »Bist du so weit?«
»Schon lange.«
»Ach, sei still.« Sie macht kehrt und schwebt auf ihren langen Beinen in Richtung Tresen, um zu bestellen und gleich zu bezahlen. Sie ist einen Meter achtzig groß und schmal wie eine Bohnenstange und damit selbst das beste Model für die Leinenkleider, die sie in ihrem schicken Geschäft an der MagazineStreet verkauft, der Zehn-Kilometer-Einkaufsmeile, die sich vom French Quarter bis zum Audubon Zoo erstreckt. Shopaholics, die nach New Orleans kommen, flanieren – ob sie nun handgefertigte französische Lingerie suchen, Gourmet-Hundekuchen oder einen Salon, der Haarentfernung mit Zuckerpaste für die niederen Körperregionen anbietet – auf jeden Fall durch die Magazine Street.
»Sinegal«, Solines Laden, präsentiert die Materialien und Techniken, die die geraubten Westafrikaner aus dem Senegal und Gambia im 17. Jahrhundert nach New Orleans mitgebracht haben: Silber- und Goldschmiedearbeiten und mit Indigo gefärbte Stoffe. Solines Vorfahren, die mit einem der ersten Schiffe damals hier angekommen sind, haben sich zur Zeit der französischen Freilassungsgesetze freigekauft; seit fast drei Jahrhunderten lebt die Familie in Tremé. »Sinegal« ist eine Verneigung vor ihrer Geschichte.
Der Hund, der süße, fröhliche Bichon Frisé, heißt Puppy. »Ich liebe ihn über alles«, sagt Soline. »Aber es ist auch gut zu wissen, dass ich, wenn mir je danach ist, etwas Weißes zu schlagen, die Möglichkeit hätte.« Honigsüß fügt sie hinzu: »Nicht, dass mir je so wäre.«
Außerdem gibt es bei »Sinegal« unverwüstliche Kleidchen, die selbst hier in dieser schwülen Hitze nicht schlappmachen. Es sind ganz schlicht wirkende Hänger, und wenn man bereit ist, über vierhundert Dollar lockerzumachen, kommt man in den Genuss dieser Schlichtheit. Ihren Freundinnen gewährt Soline Nachlass – »zum Einkaufspreis!« –, aber für mich sind die Teile trotzdem unerschwinglich. Ich bleibe bei Target-Klamotten. Wenn du nicht aus dem Leim gehst und einen Push-up-BH trägst, sieht alles gut aus.
»Los«, sagt Soline und hakt mich unter. »Gehen wir.« Unser erstes Ziel ist »French Fountains«, ein Open-air-Geschäft an der St. Charles Avenue. Bis zu Solines Hochzeit sind es nur noch drei Wochen, und sie hält ihre Nervosität im Zaum, indem sie Dinge für ihr neues Zuhause kauft. Sie werden im FaubourgMarigny wohnen, nur ein paar Blocks entfernt von dem Nachtclub, den ihr Verlobter besitzt und betreibt.
Soline und Rob gehören in der schwarzen Gesellschaft von New Orleans zu den Machern, und ihre Projekte, die sie mit Bewusstsein für ihre Geschichte und einer positiven Einstellung zu ihrer Herkunft angehen, ergänzen einander perfekt: Sie hat »Sinegal«, er seinen Club, »Code Noir« – der Name nimmt ironisch Bezug auf das 1685 von Ludwig XIV. erlassene Dekret zum Umgang mit den schwarzen Sklaven. Nach seinem Studium in Harvard war Rob sechs Jahre lang an der Wall Street, und an den Wochenenden legte er bei exklusiven Privatpartys in Manhattan als DJ auf. Zurückgekehrt ist er mit Kapital, Investoren und einer unschlagbaren Strategie. Hier in New Orleans
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