Toedlicher Sumpf
Bullshit-Zukunft träumt. Nein, immer bei ihnen oder manchmal, wenn ich es eilig habe, auch gleich da, unter den Metalltribünen. Gespräche entfallen, denn ihr Englisch ist so schlecht wie mein Spanisch. Seit Katrina zieht NewOrleans eine nicht abreißende Flut mexikanischer und mittelamerikanischer Männer an. Sie sind alle auf dem Weg irgendwohin, zerstreuen sich in alle Richtungen, so dass man eine angenehme Fluktuation hat.
Im Audubon Park, im Stadtpark und am Deich wird ohne Ende Fußball gespielt: jede Menge attraktive, dunkle Männer, muskulös und schweißglänzend, die miserabel Englisch sprechen. Nach einem Spiel sind sie in Hochstimmung, sehr zufrieden mit sich (ich suche mir immer einen aus der Mannschaft, die gewonnen hat), und wenn dir ein bisschen Schweiß nichts ausmacht, kannst du unter den Tribünen oder in einem Auto eine Menge erreichen. Manchmal stellen los machos sich wegen des Gummis an, aber du brauchst nur aufzustehen, dir den Staub abzuklopfen und so zu tun, als wolltest du gehen, schon sitzt das Latex, wo es hingehört. Das und dazu Spermizid-Gel und die Pille geben mir so viel Sicherheit, wie ein katholisches Mädchen nur haben kann. Sobald der Papst in der Lage ist, schwanger zu werden, kann er sich mit mir über Verhütung austauschen.
So ist es am besten. Ist der Sex lahm, brauchst du dem Kerl nie wieder zu begegnen, und schon gar nicht musst du sein Ego streicheln. Ist er gut, kann es toll sein.
Weil ich keine Ruhe finde, nachdem die Mädels gegangen sind, mache ich mich, immer noch in den abgeschnittenen Jeans und dem rosa Kapuzenshirt, auf den Weg zum Deich. Setze mich an die Seitenlinie, sehe eine Weile zu und zupfe Nagellackfetzen von meinen Zehennägeln.
Einer der Männer scheint ein bisschen älter zu sein, ein Verteidiger. Er hat die Statur eines Schwimmers: langer Oberkörper, breite Schultern und im Verhältnis dazu etwas zu kurze Beine. Vielleicht hätte ihm mal jemand sagen sollen, dass Fußball nicht unbedingt sein Sport ist. Aber er macht seine Sache gut, ist schnell und geschickt, immer an Ort und Stelle, wo es nötig ist. Sitzt nicht auf dem Ball, sondern gibt ihn ab, drängt nicht ins Rampenlicht. Ich stelle fest, dass ich michfür ihn erwärme. Er läuft wie ein Stier, den Kopf gesenkt, alle Kraft in den Hüften und vorwärts drängenden Schultern. Ich weiß, wie er vögeln wird: gierig, unverstellt, sachkundig, aber ohne Show. Ohne falsche Hemmungen, in seinem Körper zu Hause.
Als er einen jungen Typen aus der gegnerischen Mannschaft zu Fall bringt, indem er ihm ein Bein stellt, wird er heftig ausgebuht. In vermeintlicher Unschuld hebt er die Hände und gestikuliert wild. ¿Qué? ¡Qué!
Aha – keine Scheu, schmutzig zu spielen, wenn’s nötig ist. Ich grinse unwillkürlich.
Seine Mannschaft gewinnt, die Leute gehen auseinander, und nach einem kurzen Flirt, bei dem ich mein schwaches Spanisch zum Einsatz bringe, steuern wir mein Auto an.
Es zeigt sich, dass ich richtig lag. Er macht es gut, ohne falsches Zögern. Er ist so gut, dass ich sogar lachen muss – er weiß genau, wo seine Hände und sein Mund hingehören, wie fest und wie lange. Als ich lache, blickt er kurz auf, lässt sich aber nicht aus dem Rhythmus bringen. Daran könnte ich mich sogar gewöhnen. Er tut es einfach. Keine Fragen. Kein Gerede.
Danach bin ich verschwitzter als er. Ich lasse mich in den Fahrersitz fallen und mache die Zündung an, damit die Klimaanlage anspringt. Meine Version von Nachklingen-Lassen. Selig und schwer atmend sitze ich da und fange schon an, ihn zu vergessen.
Er bringt sein Nylon-Trikot und die Shorts in Ordnung. »Gibst du mir deine Telefonnummer?«, fragt er.
»Ich glaube, das finde ich nicht so gut.« Ich gebe meine Telefonnummer keinem Mann. Nicht einmal einem wie ihm.
Die Klimaanlage summt.
»Wie heißt du?«, fragt er.
Was soll’s? »Nola.«
»Nola«, wiederholt er, langsam, als wäre es die Bezeichnung für etwas Köstliches. Wir sitzen nebeneinander im kühlenDunkel und starren auf die Windschutzscheibe. »Gut, Nola, ich möchte dir aber meine Nummer geben.«
»Ich werde nicht anrufen.« Endlos dehnt der dunkle Rasen sich vor uns aus.
»Ich möchte trotzdem, dass du sie hast.«
Jetzt wird es langsam nervig. Er soll endlich aussteigen. »Also gut, okay.« Egal. Als ich mich rüberbeuge und im Handschuhfach nach einem Stift suche, spüre ich an Arm und Schulter die Wärme seines Körpers. Er fingert eine Quittung zwischen den Sitzen hervor und
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