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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Castro
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schreibt etwas darauf.
    Als er endlich fertig ist, reicht er mir den Zettel mit ernster Miene, als handele es sich um eine japanische Visitenkarte oder so etwas. Dann dreht er sich zu mir um und streckt mir die Hand hin. Mein Gott. Also gut, in Ordnung. Ich gebe ihm die Hand. Er ergreift sie, als würde er soeben der Queen vorgestellt.
    »Nola, ich bin Bento, und der Abend war wundervoll. Vielen Dank.«
    Ich muss lachen. Aber er hat recht.
    »Ja, das war er«, bringe ich schließlich hervor. Meine Zunge sträubt sich, aber am Ende sage ich es doch: »Danke.«
    Er lässt meine Hand los und strahlt, als wäre ich ein Kind, das von Wölfen aufgezogen worden ist und gerade zum ersten Mal mit der Gabel gegessen hat. Als sei er der Forscher, der gleich ins Institut zurückkehren und den Kollegen die freudige Botschaft überbringen wird.
    »Gute Nacht«, sagt er noch, und dann fällt die Beifahrertür ins Schloss, und er ist weg. Meine Hand fühlt sich kühl an, jetzt, wo sie nicht mehr von seiner gewärmt wird.
    Ich liebe es, nach solchen Fußball-Begegnungen, verschwitzt und den Geruch von Sex noch an mir, nach Hause zu kommen und, ohne irgendwo Licht zu machen, direkt ins Bad zu gehen, im Dunkeln unter dem weichen, kalten Wasserstrahl zu stehen, zu spüren, wie er mein Fleisch beruhigt, mit offenemMund und geschlossenen Augen die guten Momente noch einmal auszukosten – nur die Höhepunkte. Was fade war, wird gelöscht.
    An diesem Abend stehe ich sehr, sehr lange unter der Dusche.
    Als ich schließlich allein im Bett liege, schaue ich mir im Schein meiner kleinen Leselampe die Quittung an, die ordentlich aneinander gereihten Zahlen und den Namen in Druckbuchstaben. Bento . Seltsamer Name.
    Überhaupt ein seltsamer Typ. Der Abend war wundervoll. So was von altmodisch. Aber heiß. Ganz der Stier, als den ich ihn auf dem Rasen gesehen habe. Ich knülle die Quittung zusammen und werfe sie quer durch den Raum. Sie landet auf der Kommode.
    Es stimmt schon, was die Leute sagen: Fußball ist ein schönes Spiel.

5
    Gegen neun am Freitagmorgen sitze ich im Auto und fahre durch grüne Straßen in Richtung Orleans-Parish-Gefängnis, wo ich Mithäftlinge und Wachleute zu ihrer Einstellung gegenüber Sexualstraftätern befragen will.
    Egal was T. S. Eliot sagt, der April ist nicht der ärgste Monat – nicht in New Orleans. Er ist lieblich. Überall verströmt Jasmin seinen süßen Duft, und noch im kleinsten Hof sprießen Gardenien, Wicken und Petunien.
    Schwarz-orangefarbene Käfer schwirren umher, im Flug kopulierend, durch Lust aneinander gefesselt. Schwere rosafarbene Zentifolien-Blüten geben nickend ihr Aroma ab, und man möchte anhalten, um einfach nur zu atmen. Die Luft ist mild, weich und, obwohl die Sonne scheint, noch frisch. Tagsüber wird es um die dreißig Grad warm, nachts etwa zwanzig. Noch geht es mit der Luftfeuchtigkeit, noch haben wir nicht die sumpfige Schwüle, für die die Sommer berüchtigt sind.
    Die drogenbefeuerte Mardi-Gras-Massenpsychose ist abgeklungen, aber Balkonbrüstungen, Strommasten und besonders ausladende Eichenäste sind noch mit metallisch glänzenden Perlenschnüren geschmückt. Die extreme, klebrige Sommerhitze – die immer auch die Gefahr eines Hurrikans birgt – hat noch nicht eingesetzt.
    Alle sind gut drauf: die Bautrupps, die den Interstate 10 – auch für künftige Evakuierungsfälle – um eine Spur erweitern, die Golfer im Audubon Park. Sogar die Kellner und Kellnerinnen im »Café du Monde«, ruppig von Amts wegen, gestatten einem kleinen Lächeln, ihre Mundwinkel zu heben.
    Der April sei der ärgste Monat, hat Eliot geschrieben, weilim Frühling, der Erinnern und Verlangen verquickt, die Sehnsucht wiedererwacht.
    Das mag in Eliots beiden Englands so gewesen sein, im alten wie im neuen, wo die Erde überfriert und die Leute sich in Wolle hüllen.
    Aber hier in New Orleans wird der Boden nie hart. Er brodelt und wogt, lebendig vor Hitze und Feuchtigkeit. Das ganze Jahr über gibt es saftiges Grün, treibt der Wein Ranken aus, die sich an alles klammern, was sie zu fassen kriegen.
    Hier sind Erinnern und Verlangen auf ewig verquickt, und das Verlangen ist immer da.
    Ich biege von der Tulane Avenue ab auf die South Broad Street, aber es ist weit und breit kein Parkplatz frei. Langsam kreise ich ein paar Mal, vorbei an dem großen Art-déco-Gerichtsgebäude, in dessen Stein gemeißelt ist: UNPARTEIISCHE RECHTSPFLEGE IST DAS FUNDAMENT DER FREIHEIT. Als würde hinter diesen Mauern

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