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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Castro
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Claire gesehen?«, frage ich Floyd, der hinter seinem Paravent sitzt und eifrig tippt.
    Er sieht nicht auf. »Heute nicht da.«
    Aus der Sache komme ich wohl nicht raus. Also setze ich mich wieder hin.
    Ich bin so sauer. Warum halst Claire mir diesen Müll auf, wo ich doch eine sehr konkrete Aufgabe habe? Ich schnappe mir einen Zettel und schreibe meinerseits eine Nachricht: Ich verstehe nicht, wieso wir schon wieder eine Lobeshymne auf den Charme der Sklavenhalterära bringen müssen. Undich arbeite, falls Du es noch nicht wusstest, an einer Reportage für Bailey, schwimme also auch nicht gerade in freier Zeit. Ich halte kurz inne und atme einmal tief durch. In meiner Beurteilung ist von diplomatischem Geschick die Rede, von Takt und angemessenem Auftreten gegenüber den Vorgesetzten. Aber wenn Du den Text dringend brauchst, klar, in Ordnung. Mittwoch früh ist er bei Dir. Ich gehe hinüber zu Claires Schreibtisch und lege den Zettel auf den Stapel in ihrem Posteingangsfach.
    Danach bin ich eine Weile online, sehe ein paar von unseren früheren Plantagen-Artikeln durch und checke bei den fünf am nächsten gelegenen Plantagen an der River Road Adressen, Eintrittspreise und Öffnungszeiten. Eine picke ich mir heraus, Moss Manors, und wähle die Nummer des Büros dort, um mich zu einer persönlichen Führung anzumelden.
    Selbstverständlich, quäkt die für die Bewahrung des Denkmals zuständige Dame, sehr gern würden sie mich morgen Vormittag auf einen der regulären stündlichen Rundgänge mitnehmen. Ohne das Wort »nein« ein einziges Mal zu gebrauchen, weicht sie meiner Anfrage aus. Das ist eine Kunst. Diese kultivierten Leute lassen dich so freundlich abblitzen, dass du am Ende noch dankbar bist.
    Wer klare Ansagen will, sollte sich an arme Leute halten. Die nennen die Dinge beim Namen.
    Bevor ich die Redaktion verlasse, schließe ich noch die Kamera an meinen Computer an, lade die Bilder herunter, die ich von Blake Lanusse gemacht habe, und sehe zu, wie das mechanische Maul des Druckers drei Abzüge ausspeit. Ich stehe da und starre auf den Fächer aus drei Fotos in meiner Hand. Schließlich stecke ich sie ein und greife nach meinem Schlüsselbund.
    Javante Hopkins, dem es Spaß gemacht hat, seinen Vergewaltigungsopfern im Neunten Bezirk auch noch Schnittverletzungen beizubringen, wohnt jetzt allein im hinterenTeil eines kleinen Shotgun-Hauses, in einem eher zwielichtigen Teil von Faubourg Bouligny. Er ist vor einem halben Jahr aus der Haft entlassen worden und seitdem schon einmal wegen des Verdachts auf Grausamkeit gegen Tiere aktenkundig geworden; eine Pitbull-Hündin, die sich in seiner Obhut befand, konnte vom Notfall-Tierarzt nicht mehr gerettet werden; ihr Kopf war mit einer Machete mehr oder weniger abgetrennt worden. Sie mussten sie einschläfern. Hopkins hat behauptet, der Hund habe ihn angegriffen und er habe in Notwehr gehandelt, doch die genauere Untersuchung ergab, dass die Hündin auf der Seite lag, als ihr die Verletzungen zugefügt wurden.
    Es wäre vernünftiger gewesen, sich an einem öffentlichen Ort mit Hopkins zu verabreden. Aber der Hausarrest ist Teil seiner Bewährungsauflagen. Also bei ihm zu Hause oder gar nicht.
    Der Weg am Haus entlang liegt im Schatten von Bananenbäumen, so dass man wie durch einen grünen Tunnel zu seiner Tür gelangt. Noch ehe ich klopfen kann, öffnet er, ein großer, muskulöser junger Mann in weißem Unterhemd und dunkelblauer langer Trainingshose, im Mundwinkel eine Zigarette, am Knöchel eine elektronische Fußfessel. Er muss nach mir Ausschau gehalten haben.
    Wir lassen uns auf seinem durchgesessenen Sofa nieder und beginnen sofort mit dem Interview. Sein Blick ist unstet, und hin und wieder zucken seine Hände, so als hätte er irgendwas genommen, aber er ist umgänglich und hat kein Problem damit, dass ich das Gespräch aufzeichne. Da es keinen Couchtisch gibt, thront das Diktiergerät zwischen uns auf einem Sofakissen.
    Überwiegend, erklärt er, habe er seine Ruhe gehabt seit der Entlassung. Keiner habe ihn belästigt.
    »Hier sehen die Leute dich vor allem als Schwarzen«, sagt er. »Die Weißen halten sich von dir fern. Dafür musst du kein Vergewaltiger sein.«
    »Und die Schwarzen?«
    »Ich bin in ein anderes Viertel gezogen. Hier weiß keiner was. Jedenfalls benehmen sie sich so, als wenn sie nichts wüssten.« Er ist unruhig, rutscht auf dem Sofa herum. »Vor hundert Jahren wär’s ja auch keine große Sache gewesen.«
    »Was meinen Sie

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