Tödliches Abseits (German Edition)
würde mithelfen, ihn dort hinzubringen. So hatte er sich sein Anwaltsdasein nicht vorgestellt. Resigniert dachte er an die Gebührenordnung und sein Honorar, was ihn so recht aber auch nicht trösten wollte.
Esch packte einige Rechtskommentare, von denen er annahm, sie gebrauchen zu können, in seine Aktentasche und machte sich auf den Weg zum Richter, um Akteneinsicht zu beantragen und sich eine Besuchserlaubnis für seinen ersten Mandantenbesuch in der Justizvollzugsanstalt Krümmede in Bochum zu besorgen.
11
Heinz Kuttowski lebte mit seiner Frau Elise seit 32 Jahren in Herne an der Grenze zu Recklinghausen. Seit elf Jahren war er im Ruhestand, aber immer noch rüstig genug, um jeden Nachmittag mit seiner Promenadenmischung Felix in der nahen ›Brandheide‹ zwei bis drei Stunden spazieren zu gehen.
Die Brandheide war ein weitläufiges Waldgebiet, begrenzt durch die Städte Herne, Recklinghausen und Castrop-Rauxel. Bei schönem Wetter nutzten Hunderte von Erholungssuchenden das Gebiet für Spaziergänge, Radtouren oder auch Picknicks in eigens dafür eingerichteten Schutzhütten.
Dieser Dienstag war anders. Es war bedeckt und hin und wieder regnete es leicht. Außerdem hatte es sich merklich abgekühlt. Heinz Kuttowski und sein Hund Felix hatten die Brandheide für sich. Deshalb ließ der Rentner den Hund schon bald von der Leine, der freudig bellend vor ihm her sprang, schnüffelte und manchmal auch den breiten Schotterweg verließ, um interessanten Duftspuren und potenzieller Beute im Unterholz neben dem Weg nachzujagen.
Nach einiger Zeit kehrte Felix mit einem Stock zurück und legte ihn fordernd vor die Füße seines Herrn. Kuttowski griff das Stöckchen und schmiss es mit voller Kraft in den Wald. Wie der Blitz schoss die Promenadenmischung in das Unterholz. Für einen Moment noch sah der Rentner das schwarze Fell seines Hundes zwischen den Bäumen aufblitzen, dann hatte das Grün das Tier verschluckt.
Als der Hund nach einigen Minuten nicht zurückgekehrt war, rief Heinz Kuttowski nach ihm. Ohne Erfolg. Sein Hund bellte zwar, blieb aber, wo er war.
Fluchend suchte der Rentner nach einer Möglichkeit, den Graben links des Weges ohne größere Gefährdung seiner körperlichen Unversehrtheit zu überqueren. Endlich folgte er wütend seinem Hund in den Wald.
Nach etwa hundert Metern sah er Felix, der laut einen großen Haufen aufgeschichteter, vertrockneter Kiefernzweige verbellte.
»Blöde Töle«, schimpfte Kuttowski, »wenn du das nächste Mal nicht sofort kommst, bleibst du an der Leine.«
Felix beeindruckte diese Drohung nicht im Geringsten. Er schnüffelte, scharrte und bellte. Sein Besitzer leinte ihn an und wollte ihn zurück Richtung Weg ziehen, aber der Hund weigerte sich, den Kommandos zu folgen, und bewegte sich nicht.
Beim Versuch, den Hund mit Gewalt von dem Reisighaufen zu entfernen, geriet Heinz Kuttowski ins Stolpern und ließ die Leine los. Sofort stürzte sich der Hund wieder auf das aufgeschichtete Holz und wühlte sich durch trockene Zweige in das Innere des Haufens. Dabei verharkte sich das Halsband mit einem Reisigzweig. Um das Tier zu befreien, sah sich der Rentner gezwungen, mehrere Zweige von dem Stapel herunterzunehmen.
Heinz Kuttowski hatte knapp die Hälfte der oben liegenden Zweige zur Seite geworfen, als er durch das tro-
ckene Braun etwas rötlich schimmern sah. Hastig räumte er die letzten Zweige weg und erstarrte erschreckt in der Bewegung.
Der Rentner atmete tief und langsam durch. Er schleppte sich zurück zum Weg und setzte sich völlig erschöpft auf die Grabenböschung. Verwundert nahm er zur Kenntnis, dass ihm sein Hund brav gefolgt war.
Heinz Kuttowski wusste nicht, wie lange er dort gesessen hatte, da hörte er Motorengeräusch. Ein Auto! Mühsam richtete er sich auf, schlurfte auf die Mitte des Weges und blieb dortmit ausgebreiteten Armen stehen, bis das Fahrzeug anhielt. Als der Fahrer des Wagens das Fenster heruntergekurbelt hatte, zeigte Heinz Kuttowski in den Wald.
»Da hinten«, keuchte er. »Da hinten im Wald liegt eine Leiche.«
12
Die Strafanstalt Krümmede an der Castroper Straße in Bochum lag in Sichtweite des Ruhrstadions, eine der schönsten Fußballarenen des Reviers, in der die ›graue Maus‹ der Bundesliga, der ›Verein für Leibesertüchtigung Bochum‹, seine Heimspiele austrug. Rainer hatte hier schon einige Derbys zwischen Schalke und den ›Unabsteigbaren‹ aus Bochum erlebt und leider war nicht immer sein Verein siegreich
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